Ab jetzt wird gefeilscht

Berlin . In einem Spitzengespräch wollen Union und SPD die Kanzlerfrage klären und damit den Weg für Verhandlungen über eine große Koalition freimachen – zeitnah wie beide Seiten betonen.

Die Dramaturgie verlangte es so. Noch am Morgen vor der dritten Runde der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD blafften sich beide Seiten unversöhnlich an, um die jeweils eigene Position im heiklen Koalitionspoker zu stärken: "Die SPD muss darauf verzichten, dass sie den Kanzler oder die Kanzlerin stellt", wiederholte Thüringens CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus die Grundvoraussetzung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Bei solchen Vorbedingungen würden "die Gespräche sehr schnell zu Ende sein", tönte der immer laute SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler darauf hin zurück.Kaum aber hatten sich die Türen des Saals Sachsen in der parlamentarischen Gesellschaft gegenüber dem Reichstag geschlossen, verhallte der Theaterdonner der Kontrahenten auch schon abrupt.

Von wegen, erst wird die K-Frage geklärt, dann sehen wir weiter - oder eben nicht. Zweieinhalb Stunden saßen die fünfköpfigen Delegationen zusammen, die SPD-Chef Franz Müntefering und Kanzler Gerhard Schröder auf der einen, und Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel sowie CSU-Chef Edmund Stoiber auf der anderen Seite anführten. Dem Vernehmen nach wurde die Kanzlerfrage erst am Ende thematisiert, nachdem die inhaltlichen Sondierungen - Arbeitsmarkt, Reform der sozialen Sicherungssysteme, Haushaltskonsolidierung und Föderalismusreform - "sehr erfolgreich" (Merkel) verlaufen waren. Beide Seiten, hieß es, hätten entgegen verbalen Gefechte in Wahrheit keinen Eklat provozieren wollen. Weil die große Koalition eben die einzig wirklich realistische Möglichkeit sei.

Beide Seiten konnten sich als Sieger sehen

Nach dem Treffen konnten sich sowohl die einen als auch die anderen als Sieger sehen: Die Union, weil Koalitionsverhandlungen nicht aufgenommen werden, bevor nicht die Personalfrage entschieden ist. Und die SPD, weil viele Inhalte gestern bereits vorgeklärt worden sind, wie sie ja immer verlangt hatte. "Zeitnah" so Merkel, "sehr zeitnah", so Schröder, werde nun die Kanzlerfrage gelöst. Merkel hat insbesondere ein großes Interesses an einer schnellen Klärung, da die ersten, vor allem bedeutenden Heckenschützen sich schon aus der Deckung wagen - massiv wurde sie gestern für ihren Wahlkampf von ihrem "Parteifreund" Friedrich Merz angegriffen. Angeblich war es daher die CDU-Chefin, die bei dem Treffen angeregt haben soll, diesen offenen, mit vielen Emotionen auf beiden Seiten behafteten Aspekt in einem Spitzengespräch zu lösen. Schröder stimmte demnach zu, die Kanzlerfrage "nicht länger vor sich her zu schieben". Der Union, so der Niedersache vor der Presse, sei klar geworden, "dass man nicht eine Frage vorab regeln könne, sondern "die Struktur insgesamt" einer großen Koalition soweit wie möglich entscheiden müsse. Im Klartext: Im Machtpoker ist nun genug gezockt, taktiert geblufft und inszeniert worden. Ab jetzt wird gefeilscht.

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