Abenteuer im Einkaufs-Land

TRIER. Schenken ist ein heikles Kapitel, nicht nur, aber besonders zu Weihnachten. Präsente im Trend der Zeit sind schwer zu finden, die Gefahr der Blamage ist groß. Zu teuer, zu billig, zu altbacken, zu schräg, zu persönlich oder am Geschmack des Beschenkten vorbei: Es lauern tausend Fußangeln. Da ist es ratsam, rechtzeitig die Nase in den Wind zu halten.

Ich hasse Gutscheine. Sie sind der Papier gewordene Ausdruck von Fantasie- und Ratlosigkeit und allenfalls bei hart am Rande des Pflegeheims rangierenden Senioren zulässig, für die es nun wirklich keinerlei Geschenk-Idee mehr gibt. Also ab ins Trierer City-Einkaufsparadies, auf die Suche nach trendy Geschenken für die ganze Familie. Gleich der erste Blick fällt auf einen schicken Laden mit dem viel versprechenden Titel "Trendhaus". "Das ideale Herrengeschenk" strahlt mir in großen Lettern entgegen, in Form eines super-edlen, im samsonite-ähnlichen Köfferchen deponierten Grillbestecks. Was für den Opa? Na ja, der lässt immer die Grillgabel auf der Feuerstelle liegen, und das würde bei dem stolzen Preis doch schmerzen. Was denn so am besten geht, frage ich den Chef. "Alles mit Wein", sagt er, vor allem edle Gläser. Das "Burgunder Grand-Cru-Glas" ist sogar von 62 Euro auf ganze 50 runtergesetzt. Das Problem ist nur, dass das Rest-Geld, wenn ich zwei kaufe, nur noch für Aldi-Cru reicht. Der beißt sich dann wieder mit den Gläsern. Also weiter um die Ecke zu einem schnucklig-modernen Lampenladen. Da stehen rote und grüne Ossi-Ampelmännchen im Schaufenster, für 69 Euro pro Stück. "Unser Super-Hit im letzten Jahr", versichert die Verkäuferin. Wäre was fürs Kinderzimmer. Aber ob die Neffen und Nichten aus Dresden das am Ende missverstehen? Vielleicht doch lieber nicht. Um die nächste Kurve lockt das Schaufenster einer "Wäschegalerie". Modell Marie Jo, schwarz, durchsichtig und für 45 Euro erstaunlich verheißungsvoll, fällt mir ins Auge. Man sei durchaus dabei im Weihnachtsgeschäft, erzählt die Besitzerin. Ob wohl viele Ehemänner hier das kleine Weihnachtspäckchen für ihre Liebste zusammenstellen lassen? "Nicht nur Ehemänner", sagt die Dame, und der Reporter vermeint einen verschwörerischer Unterton herauszuhören. Dabei ist die Anmerkung nur logisch, welcher Ehemann kennt schließlich schon die Körbchengröße seiner Frau? Um Missverständnisse zu vermeiden, ziehe ich doch lieber weiter. Für die Kinder wird dringend was gebraucht. Der nächste Handy-Laden winkt. "Hier ist unser tollstes Modell", jubelt der Verkäufer, "mit 1,3 Megapixel-Kamera, Video-Streaming, Kombi-Player für AAC- und M4A-Dateien, Visual Radio und Midi-Melody-Composer". "Ich wollte eigentlich so ein Gerät zum Telefonieren", sage ich und trete verschämt den Rückzug an. In der Nähe verspricht ein Gummibärchen-Shop Kinderfreuden. Der Chef zeigt mir sein Turbo-Modell, einen Monster-Weihnachtsmann mit Kirsch-Geschmack, 12 Zentimeter hoch, 340 Gramm schwer und in ein Kästchen mit Schleife eingepackt. "Den kriegen die Kinder natürlich nicht an einem Stück in den Mund", beruhigt mich der Experte, aber das Risiko von Erstickungsanfällen ist mir dann doch zu groß. In der Nähe des Hauptmarkts springt mir ein Geschäft ins Auge, das den Begriff "Kult" schon im Namen trägt. Da wäre es eigentlich, das ideale Geschenk für die ganze Familie: Ein (in Laubsägearbeit entstandener?) weiß lackierter Weihnachtsbaum aus zwei zusammengeklebten Holzbrettern. Gut, mit 50 Euro nicht ganz billig, aber dafür fällt das elende Brimborium mit diesem grün-nadelnden, jedes Jahr neu ins Haus zu schleppenden Baum samt Kugel- und Lametta-Gedöns ein für allemal flach. Mitten im Traum erscheinen mir die missbilligenden Gesichter meiner Frau und meiner Kinder. Okay, der Spanplatten-Baum wird gestrichen.Kerzenständer, auch als Waffe verwendbar

Aber was nun? Der sehnsüchtige Blick auf das kleine Orthopädie-Geschäft in der Glockenstraße geht fehl. Meine Oma hätte sich einst über eine Fußpflege-Stunde gefreut wie ein Schneekönig, aber die Omas heutzutage haben andere Ansprüche. Vielleicht den "Pisa-Kerzenständer-Set" beim Edel-Porzellanier an der Porta? Für 39,90 dient er nicht nur als Halter für Stearinprodukte, sondern ließe sich angesichts seines Gewichts und seiner harten Kanten im Notfall auch ideal als Waffe gegen Einbrecher verwenden. Aber was ist, wenn kein Einbrecher kommt? Dann doch eher "Santas Schlittenfahrt", ein herrlich geschmackloses Arrangement mit rotem Porzellan-Nikolaus samt Geschenke-Schlitten und kerzentragenden Rentieren, die sich in der Auslage rhythmisch auf- und abbewegen. 229,90 Euro, sagt die nette Verkäuferin. "Den nehme ich", rufe ich erfreut und denke an den nächsten Besuch der Erbtante aus Nebraska, die sich dann wie zuhause fühlen dürfte. "Aber wackelt der im Wohnzimmer denn genau so?". Tja, da haben wir das Problem. Der bewegliche Untergrund schlägt leider noch einmal mit 490 Euro zu Buche. Für eine solche Investition müsste ich denn doch verlässlichere Informationen über die Erbmasse haben. So langsam denke ich ans Aufgeben. Vielleicht lassen sich ein paar Geschenke übers Internet akquirieren (siehe unten). Oder sollte ich vielleicht doch einen Gutschein...

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort