Abschied vom "Amt"
Das zu Beginn der 70er in Rheinland-Pfalz geschaffene Fundament für Städte, Kreise und Gemeinden zeigte sich durchaus als "Jahrhundertprojekt". Preußische, bayerische und hessische Relikte mussten in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von CDU und SPD bei der Neugliederung des Landes unter einen Hut gebracht werden.
Mainz. (win) Wird in Rheinland-Pfalz über Kommunalreform gesprochen, fehlt in den seltensten Fälle der Hinweis auf die grundlegende Änderung von Gebietsgrenzen und Verwaltungsaufbau in den 70er Jahren. Die damals unter dem neuen Ministerpräsidenten Helmut Kohl durchgesetzte umwälzende Neustrukturierung barg erheblich politischen Sprengstoff, weil die Fronten quer durch alle Parteien verliefen. Insgesamt 18 Gesetze wurden ausweislich der Chronik des Landes zwischen 1966 und 1974 erlassen, um die Reform in allen Bereichen von der Aufhebung der Ein-Mann-Gerichte bis zur Zusammenlegung von Gemeinden zu regeln. Regierungsbezirke 1968 von fünf auf drei verringert
Gleichzeitig mussten Elemente der preußisch-rheinischen Selbstverwaltungstradition und der Amts-Bürgermeisterverfassung im Norden des Landes mit Ausprägungen süddeutscher Ratsverfassung in der ehemals bayerischen Pfalz und Verwaltungsgepflogenheiten im einst hessischen Rheinhessen zusammengeführt werden. Als Erstes wurden 1968 die Regierungsbezirke von fünf auf drei verringert: Rheinhessen wurde mit der Pfalz zusammengelegt, Montabaur mit Koblenz. Daneben gab es noch den Bezirk Trier. Von 39 Landkreisen wurden 30 trotz teils heftiger Proteste aufgelöst und 15 neu gebildet, so dass am Ende 24 übrig blieben. Die Kreise Bitburg und Prüm, Trier und Saarburg sowie Bernkastel und Wittlich wurden zusammengelegt und verloren Randbezirke, der Kreis Daun neu zugeschnitten und unter anderem durch die Region Obere Kyll (früher Prüm) vergrößert. Im Jahr 1972 wurde die Amtsverfassung in abgewandelter Form für das ganze Land übernommen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern blieb in Rheinland-Pfalz die Zusammenlegung von Ortschaften zu Einheitsgemeinden, wie etwa Morbach im Hunsrück, die absolute Ausnahme. Generell sollten der Fortbestand der in der Regel ehrenamtlich geführten selbstständigen Ortsgemeinden und die neuen hauptamtlichen Verbandsgemeinden gemeinsam Bürgernähe und leistungsfähige Verwaltung gewährleisten. Insgesamt rund 400 Gemeinden wurden bei der Reform aufgelöst, 121 neu gebildet, 44 schlossen sich freiwillig zusammen, so dass sich am Ende die Zahl der Gemeinden um 324 auf knapp 2600 verringerte. Generelle Unterschiede in der Kommunalstruktur blieben teilweise gleichwohl: Im Norden gab es große kreisangehörige Städte wie beispielsweise Neuwied mit 62 000 Einwohnern, im Süden aus der bayerischen Tradition heraus kleine kreisfreie Städte wie Landau, Speyer oder Frankenthal mit jeweils nur rund 40 000 Einwohnern. Zudem blieb der Pfalz eine zusätzliche regionale Ebene mit dem Bezirksverband erhalten, der Kultur-, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen unterhält. Besonders bei den Politikern sorgte 30 Jahre später die Abschaffung der drei Bezirksregierungen für Wallung. SPD und FDP setzten dennoch durch, das aus den regional zuständigen Mittelbehörden samt eingegliederten Sonderbehörden im Jahr 2000 überregional verantwortliche fachlich spezialisierte Aufsichts- und Genehmigungsdirektionen wurden.