Abschied vom Paradies auf Erden

TRIER. Die Weigerung des Trierer Stadtrats, die Gewerbesteuer zu erhöhen, um in den Genuss einer Bedarfszuweisung des Landes zu kommen, sorgt auch überregional für Aufsehen. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene können sich die Experten an ein vergleichbares Verhalten erinnern.

 Zurück an den Empfänger: Knapp elf Millionen Euro muss die Stadt Trier zurückgeben, weil eine Mehrheit des Stadtrates sich weigert, die an die Zuweisung gekoppelten Bedingungen zu erfüllen. Ein bitterer Schritt, auch wenn die Überweisung wohl anders erfolgt als bei unserer Foto-Montage.Foto: K. Kimmling

Zurück an den Empfänger: Knapp elf Millionen Euro muss die Stadt Trier zurückgeben, weil eine Mehrheit des Stadtrates sich weigert, die an die Zuweisung gekoppelten Bedingungen zu erfüllen. Ein bitterer Schritt, auch wenn die Überweisung wohl anders erfolgt als bei unserer Foto-Montage.Foto: K. Kimmling

Sowohl der Geschäftsführung des Städte- und Gemeindebundes in Berlin als auch der Finanzabteilung des Städtetages in Bonn ist es bis dato nicht untergekommen, dass eine Kommune jemals gewährte Zuschüsse zurückgezahlt hätte, weil ihr die Konditionen nicht schmeckten. In Trier hatte eine Stadtratsmehrheit aus CDU und Unabhängigen letzte Woche eine Elf-Millionen-Euro-Bedarfszuweisung des Landes ausgeschlagen, weil sie mit der Bedingung verbunden war, die Gewerbesteuer zu erhöhen (der TV berichtete). Auch Professor Gunnar Schwarting, Geschäftsführer des Städtetages Rheinland-Pfalz, zeigte sich auf TV -Anfrage überrascht. Es sei "durchaus üblich", dass das Land an die Gewährung solcher Zuweisungen Bedingungen knüpfe, "das können mal höhere Friedhofsgebühren sein, aber auch Gewerbesteuer-Hebesätze". Schließlich bestehe "kein Rechtsanspruch" auf die Leistung, insofern sei das Land "frei, Auflagen zu machen, so lange sie fair sind". Trier sei bei der Höhe der Hebesätze "immer eine Ausnahme gewesen", andere Städte hätten sich längst dem Durchschnitt angepasst. Der liegt bei den kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz bei 400 Prozentpunkten - Trier erhebt 370 und sollte in zwei Schritten auf 390 erhöhen. In Kaiserslautern werden die Unternehmen mit 405 Punkten zur Kasse gebeten, in Koblenz mit 395, in Mainz gar mit 440. In diesen Regionen liegt das Umland meist deutlich unter den Großstadtwerten - eine Wettbewerbschance für die Kleinen. Nicht so in der Region Trier: Bernkastel erhebt 360 Prozentpunkte, Wittlich und Morbach 352, Föhren 350 und Prüm 346. Fast alle haben in den letzten Jahren ihre Sätze deutlich erhöhen müssen und sind damit nahe an die Stadt herangerückt. "In Trier haben sie immer so getan, als hätten sie das Paradies auf Erden", sagt ein Verwaltungs-Chef aus der Region, der seinen Namen nicht genannt wissen will. Aber er spricht für viele. Steuern im Umland fast so hoch wie in der Stadt

Seine Kritik gilt auch den Kammern, von denen er sagt, sie interessierten sich "nur für das, was in Trier los ist". Ein Blick ins Archiv scheint die These zu belegen: Als im März dieses Jahres die Gemeinde Thalfang in einer ähnlichen Situation die Gewerbesteuer zum Erhalt von Landeszuweisungen sogar um 35 Punkte anheben musste, blieb die öffentliche Debatte aus. "Wir haben das mit breiter Mehrheit beschlossen", erinnert sich Bürgermeister Franz Josef Gasper an das von CDU, SPD und Freien getragene Votum. Die Erhöhung sei "unumgänglich, weil nur so eine Sanierung des Haushalts möglich ist", lautete damals das zentrale Argument. In Trier hat sich die Mehrheit dagegen auf die Seite der örtlichen Gewerbebetriebe gestellt. Allerdings wird nur ein Bruchteil von dem großzügigen Verzicht profitieren. 6000 Betriebe sind in der Stadt angemeldet, aber lediglich gut 1200 zahlen aktuell Gewerbesteuer. Vom Kreis der Zahler sind wiederum viele in der kleinsten Klasse eingestuft - eine Steuererhöhung hätte sie nur im dreistelligen Bereich getroffen. Die Stadt hingegen verliert durch die Nicht-Erhöhung rund 600 000 Euro pro Jahr, und mindestens die gleiche Summe entsteht an dauerhaftem Zinsverlust, weil das Land seine elf Millionen Euro zurückfordert.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort