"Absurd in jeder Hinsicht"

Milch und Milchprodukte wie Butter, Käse oder Quark werden ab August in den deutschen Regalen um bis zu 40 Prozent teurer - weil die Nachfrage in Asien stark gestiegen ist. Über die Absurditäten des Marktgeschehens sprach unser Korrespondent Werner Kolhoff mit der Agrarexpertin der Grünen im Bundestag und früheren nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn.

Ist es nicht absurd, Butter und Milch nach China zu transportieren?Höhn: Die Situation ist in jeder Hinsicht absurd. Erstens, was die langen Transportwege angeht, die natürlich erhebliche ökologische Kosten verursachen. Es wäre viel sinnvoller, die Produkte dort herzustellen, wo sie verbraucht werden. Und zweitens ist es absurd, weil wir diesen Export heimischer Milch auch noch mit Steuergeldern bezahlen.Wie das?Höhn: Jeder Liter Milch wird wie alle anderen Agrarprodukte in der EU hoch subventioniert. Je mehr also die internationale Nachfrage steigt, umso mehr schießen die Steuerzahler zu.Und wie kann man das ändern?Höhn: Die Subventionen für Exporte müssen ganz abgeschafft werden. Es ist in Ordnung, wenn wir die Produkte, die für den eigenen Bedarf sind, subventionieren. Weil die Landwirtschaft für den heimischen Markt sonst nicht konkurrenzfähig ist. Für den Export sind Subventionen unsinnig und führen zu diesen absurden Ferntransporten. Die Nachteile, also die Kosten und die negativen ökologischen Folgen intensiver Tierhaltung, bleiben in Deutschland und Europa. Dafür konsumiert man dann in aller Welt günstig unsere subventionierten Milchprodukte.Wer profitiert von der jetzigen Entwicklung?Höhn: Fast ausschließlich der Handel. Bei den Bauern kommt von den steigenden Preisen wenig bis gar nichts an. Insofern sind die anstehenden Erhöhungen nicht gerechtfertigt, denn der Handel hat kaum höhere Kosten. Das werde ich in der nächsten Sitzung des Verbraucherausschusses zum Thema machen. Gerät Biomilch ins Abseits, weil sie den Leuten zu teuer wird?Höhn: Die Gefahr sehe ich derzeit nicht. Die Nachfrage nach biologisch erzeugten Milchprodukten steigt nach wie vor an. Die Teuerung findet vor allem im Bereich der konventionell erzeugten Milch statt. Das heißt, der Preisunterschied zu biologischer Milch verringert sich eher.Früher gab es Butterberge und Milchseen. Das ist jetzt vorbei. Muss die Quotierung der Milchproduktion nicht aufgegeben werden, einfach, damit die Bauern mehr produzieren können?Höhn: Das Thema ist auf der Tagesordnung. Die EU will die Quoten nach 2013 wegfallen lassen. Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, dass die Milchproduktion in bestimmten Regionen bleibt, vor allem auch in den Gebirgsregionen. Dort wird die Milch vorwiegend umweltschonend und extensiv erzeugt. Im Moment wandert die Produktion stark ins Flachland ab, in die intensive Bewirtschaftung. Das muss man steuern, denn die Milchwirtschaft in den Mittelgebirgen ist auch für die Landschaft und für den Tourismus wichtig. Meinung Nicht am Ende der Fahnenstange Lebensmittel werden teurer. Das ist die Botschaft, die alle Experten im Sommer 2007 ausgeben. Diese Tatsache wird zwar alle Verbraucher ärgern, die mit der "Geiz ist geil"-Mentalität um jeden Cent streiten, doch mit Blick auf die Vergangenheit kann man nur eins feststellen: Grundnahrungsmittel nähern sich langsam wieder dem Preisniveau, das sie schon vor 15 Jahren erreicht hatten. Bei der jetzigen Weltmarktsituation dürfen die Verbraucher aber nicht darauf hoffen, dass es bald wieder runtergeht mit den Milch-, Käse- und Butterpreisen. Selbst Schokolade wird um einige Cent teurer, weil er zur Hauptsache aus Milchpulver besteht. Für die Bauern deuten sich also bessere Zeiten an, und wer weiß, vielleicht ist die BDM-Forderung von 40 Cent/Kilo Milch bald sogar überholt. Was für die Bauern ein Segen ist, trifft auf der anderen Seite Geringverdiener umso härter. Die Preissteigerungen bei den Grundnahrungsmitteln schlagen bei vielen Familien ebenso ins Kontor wie die Kostenexplosionen bei Gas, Öl und Strom. Und wer fast sein ganzes Geld für Miete und Essen ausgeben muss, geht noch härteren Zeiten entgegen. nachrichten@volksfreund.de

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