Alles Theorie

TRIER. Das neue Jugendschutzgesetz geht einigen Praktikern nicht weit genug. Auch der Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder und Jugendschutz, Gerd Engels, wünscht sich im Gespräch mit dem TV deutlichere Formulierungen.

Wie ernst wird Jugendschutz in Deutschland genommen? Engels: Beim Schutz vor Horrorvideos oder brutalen Computerspielen und vor sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gibt es eine sehr hohe Akzeptanz. Beim Thema Rauchen, Trinken und Ausgehen ist sie deutlich schwächer. Vor allem im Hinblick auf den Vollzug und das Einhalten der Verbote hätte das neue Gesetz deutlicher sein müssen.

Wie kann die Akzeptanz erhöht werden?

Engels: Indem man das Gesetz übersichtlicher und klarer formuliert. Es werden weiterhin unterschiedliche Altersgrenzen in dem Gesetz genannt. Außerdem wird der Jugendschutz immer noch in vielen verschiedenen Gesetzen geregelt. Selbst Praktiker aus der Jugendarbeit blicken da nicht mehr durch. Da hätte es eine Vereinfachung geben müssen. Das wäre auch den Eltern entgegengekommen.

Warum ist es so schwierig, das Gesetz umzusetzen?

Engels: Es fehlt an Personal. Ständig melden sich Jugendämter bei uns und sagen, dass sich die Polizei weigert, Jugendschutz-Kontrollen durchzuführen, weil sie nicht genug Personal haben. Und auch die Jugendämter haben zu wenig Mitarbeiter. Damit können sie allenfalls mal eine Kneipe, aber keine Diskothek kontrollieren.

Was ändert sich konkret mit dem neuen Jugendschutzgesetz?

Engels: Bei den grundsätzlichen Regelungen etwa zu Ausgehzeiten, und Alkohol hat es kaum Änderungen gegeben. Nur beim Rauchen gibt es jetzt eine Klarstellung: An Jugendliche unter 16 Jahren dürfen keine Tabakwaren mehr verkauft werden. Bisher war nur verboten, dass sie rauchen. Der Schwerpunkt des neuen Gesetzes liegt aber im Jugendmedienschutz bei den Computerspielen und Videos. Die nun festgelegte Selbstregulierung durch die Hersteller halte ich für sehr vernünftig.

Aber wie lässt sich denn der Bereich Computer- und Video-Spiele überhaupt kontrollieren?

Engels: Das neue Gesetz bringt zwar eine deutliche Verbesserung. Man kann in Zukunft den Händlern schärfer auf die Finger schauen. Das Kernproblem ist aber: Der Jugendschutz richtet sich an Gewerbetreibende, nicht an Kinder und Jugendliche. Aber ein Großteil der Computer- und Videospiele geht gar nicht über die Ladentheke. Die Jugendlichen geben sie untereinander weiter. Und dagegen kann nur sehr schwer etwas tun.

Auch an Zigaretten und Alkohol werden die Jugendlichen weiter rankommen. Was soll sich denn mit dem neuen Gesetz ändern?

Engels: Beim Rauchen ist klar festgelegt: Die Zigarettenautomaten müssen bis 2007 so umgestellt werden, etwa mit Chipkarten, dass sie von Jugendlichen nicht mehr benutzt werden können und sie es künftig sehr viel schwerer haben werden, an Zigaretten ranzukommen. Bei der Kinowerbung gibt es immerhin bei Filmen, die vor 18 Uhr laufen, keine Zigaretten- und Alkohol-Werbung mehr. Doch die Industrie wird weiterhin versuchen, Jugendlich von der Faszination des Rauchens zu überzeugen.

Welche Rolle haben die Eltern bei der Umsetzung des Jugendschutzes?

Engels: Das Jugendschutzgesetz ist dafür da, die Eltern bei der Erziehung zu unterstützen. Laut einer Statistik interessieren sich 20 Prozent der Eltern gar nicht dafür, was ihre Kinder tun. Denen hilft natürlich auch kein Jugendschutzgesetz. Aber viele sind sehr besorgt und bemüht. Die beschweren sich natürlich, darüber, dass das Gesetz zu mangelhaft umgesetzt wird.

Das Interview führte unser Redakteur Bernd Wientjes.

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