Als Nummer 43 ein dicker Fisch

WASHINGTON. Er galt als ein führender Kopf des Regimes: Tarik Asis, ehemaliger Premierminister des Irak, hat sich US-Truppen gestellt. Nun hoffen die Amerikaner, von ihm Hinweise über den Verbleib Saddam Husseins zu bekommen.

Tarik Asis gab sich noch kurz vor Kriegsausbruch heldenhaft.Lieber wolle er sterben als in amerikanische Gefangenschaftgeraten, hatte der irakische Premierminister mit der markantendickgeränderten Brille, dem weißen Haarschopf und den Vorliebenfür kubanische Zigarren angekündigt. Doch die "Pik 8" imKartenspiel der meistgesuchten Regime-Repräsentanten entschiedsich für das Weiterleben. Am Donnerstagabend stellte sich der67-jährige in einem Haus von Verwandten in Bagdad US-Soldaten,die auf Wunsch der nach Saddam Hussein markantestenPersönlichkeit im Land gleich auch Militärärzte mitbrachten: Asisfürchtete, die Aufregung der Kapitulation könne seinem bereitsdurch zwei Infarkte geschädigten Herz schaden. Zuvor hatte erdurch einen Vermittler mehrere Tage vor der Aufgabe um würdigeBehandlung und medizinische Betreuung gebeten. Auch wenn Asis auf der Liste der meistgesuchten 55 Vertreter des Saddam-Regimes nur auf Position 43 steht, so gilt er für Washington als bisher dickstes Fisch im Netz. Den Daumen nach oben gereckt - so hatte US-Präsident Bush, von Verteidigungsminister Rumsfeld auf dem Rückflug von einem Auftritt in einem Rüstungsbetrieb im Bundesstaat Ohio über die Asis-Festnahme informiert, gegenüber Medienvertretern reagiert, als diese ihn um eine erste Stellungnahme baten. Nun hofft das Weiße Haus, die bisher errichtete Mauer des Schweigens durchbrechen zu können, auf die US-Beamte beim Verhör der bisher gefassten Regime-Mitglieder gestoßen sind. Denn jeder der Inhaftierten habe bisher, wie es gestern in Washington hieß, energisch die gestürzte Regierung verteidigt, Hinweise auf den Verbleib von Saddam Hussein und seiner Söhne verweigert und die Existenz von verbotenen Massen-Vernichtungswaffen dementiert. Dies hatte offensichtlich auch zur bemerkenswerten Bush-Äußerung vom Donnerstag beigetragen, in der dieser erstmals öffentlich die Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte, dass sich im Irak gar keine verbotenen Waffen mehr befinden: Sie können vernichtet oder rechtzeitig außer Landes geschafft worden sein, versuchte der US-Präsident die bisher vergebliche Suche nach den angeblichen biologischen und chemischen Arsenalen zu erklären. Ähnlich frustrierend gestaltet sich für den Kriegsherrn die Fahndung nach dem Saddam Hussein-Clan. Die Hinweise hätten sich verdichtet, dass der Diktatur tot sei, behauptete Bush am Donnerstag, doch eindeutige Indizien dafür führte er nicht an. "Die Person, die uns dabei half, die Angriffe auszuführen, glaubt, dass Saddam Hussein zumindest schwer verletzt wurde", bot Bush als Vermutung an. Doch nun könnte Asis "mit einer Schatztruhe von Informationen", so ein US-Regierungsmitglied, bei der Lösung offener Fragen helfen und auch dazu beitragen, dass sich weitere Mitglieder der Saddam-Mannschaft zum Überlaufen entschließen.

Zunächst wird man Asis wohl - wie zuvor bei anderen Regime-Angehörigen geschehen - an einen geheimen Ort außer Landes schaffen, um ihn dort ausführlich zu befragen und ihm möglicherweise auch ein Gegengeschäft anzubieten: Immunität vor Strafverfolgung gegen konkrete Informationen. Offiziell hieß es zwar gestern im Weißen Haus, man habe Tarik Asis bisher "keinen Deal" angeboten. Doch falls dieser tatsächlich wichtige Fragen beantworten kann, wird man ihm wohl entgegenkommen. Denn dass der Ex-Premierminister über den Besitz von Massen-Vernichtungswaffen ebenso Kenntnis haben muss wie über die Frage, ob Saddam Hussein und seine Söhne die beiden zielgerichteten Luftangriffe in Bagdad überlebten, steht für US-Offizielle fest. "Asis war das Sprachrohr des Regimes und ein absoluter Loyalist", hieß es in Washington, "kaum wahrscheinlich, dass ihn Saddam in wichtigen Fragen ganz im Dunkeln gelassen hat."

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