Alte Stärken reichen nicht

Berlin. Auf seine alten Stärken kann sich der Standort Deutschland immer noch verlassen: In der Automobiltechnologie ist die Bundesrepublik nach wie vor führend; kein Land hat bessere Hersteller in den Bereichen Antrieb, Steuerung, Materialien und Sicherheit. Doch das allein reicht nicht.

Ausgerechnet in einigen der zukunftsträchtigsten Forschungsfelder hinkt Deutschland hinterher, kritisierte gestern die angesehene Boston Consulting Group (BCG) bei der Vorstellung einer umfassenden Studie in Berlin. Die Unternehmensberater analysierten mehr als 700 000 Patente in 17 Technologiefeldern der Jahre 1998 bis 2005. Die Patentanalyse zeigt: In den Anwendungstechnologien wie der Automobil-, Maschinenbau-, Bautechnologie, in der Umwelt-, Chemie- und Energiebranche ist Deutschland Vorreiter und zählt zu den größten Patentanmeldern. Vor allem bei den erneuerbaren Energien wie Wind und Wasserkraft sowie der Energiegewinnung aus Biomasse nimmt das Land eine dominierende Position ein. Dagegen liegt die Republik in den neuen wachstumsstarken Forschungsfeldern wie der Unterhaltungselektronik, der Computertechnologie oder der Biotechnik im weltweiten Vergleich deutlich zurück. Weltmeister der Forschung

In Querschnittstechnologien, die in anderen Bereichen meist Innovationsschübe auslösen können, hat Deutschland in der Werkstoffforschung, der Nanotechnologie und der weißen Biotechnik gute Ausgangspositionen. Ingesamt belegt die Studie allerdings, dass Deutschland eine gute Innovationsbasis besitzt. Setzt man die deutsche Forschungsleistung ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl, so ist sie in den meisten Technologiefeldern mit der Leistung der USA oder Japan vergleichbar. Aber: "Unsere Forscher dürfen sich zwar Forschungsweltmeister nennen", so BCG-Geschäftsführer Peter Strüven, doch im Wettbewerb entscheide nun mal die absolute Größe der vorhandenen Ressourcen. Und danach ist die Bundesrepublik alles andere als führend: Während die USA laut BCG 313 Milliarden Dollar und Japan 146 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung ausgeben, wurden 2004 in Deutschland nur 48 Milliarden investiert. Noch so fleißige Wissenschaftler können diesen finanziellen Vorsprung anderer nicht ausbügeln. Immer mehr Innovationen kommen zudem aus dem forschungsfreudigen Asien. Strüven schlug vor, die Förderung in Deutschland zu bündeln und dabei stets die vermarktbare Anwendung einer Technologie im Auge zu behalten. Dazu müsse allerdings auch das Bildungssystem wettbewerbsfähiger gemacht werden, so Joachim Milberg von der Deutschen Akademie der Wissenschaften. "Innovationen dürfen nicht länger als Bedrohung des Besitzstandes, sondern müssen als Chance auf mehr Wachstum und Wohlstand gesehen werden", forderte Milberg höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

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