Am Ende doch lieber ins Büro?

Um die Tätigkeit des früheren Trierer Oberbürgermeisters Helmut Schröer als "Ausbildungsbotschafter" ranken sich mancherlei Legenden. Im praktischen Schul-Alltag erweist sich Schröers Job als hochprofessionelle PR-Arbeit für das unter Image-Problemen leidende Handwerk.

 Alt-OB Helmut Schröer räumt als Ausbildungsbotschafter mit manchen Vorurteilen über Handwerksberufe auf. Foto: Handwerkskammer

Alt-OB Helmut Schröer räumt als Ausbildungsbotschafter mit manchen Vorurteilen über Handwerksberufe auf. Foto: Handwerkskammer

Bernkastel-Kues. Dass Helmut Schröer einst Lehrer gelernt hat, merkte man ihm in seiner politischen Laufbahn eher selten an. Pädagogische Geduld und didaktisches Geschick im Umgang mit Schutzbefohlenen, etwa in Stadträten, war nicht direkt seine starke Seite. Um so erstaunlicher, wie er da vor der neunten Klasse der Freiherr-von-Stein-Realschule in Bernkastel-Kues steht. Mit simplen, einleuchtenden, geschickt aufbereiteten Beispielen stimmt er die 15-Jährigen im Rahmen des Berufskunde-Unterrichts auf die Botschaft ein, die er zu überbringen hat: Dass es sich lohnt, bei der Auswahl der künftigen Lehrstelle das Handwerk nicht zu vernachlässigen. Dass sich die Handwerkskammer leistet, den 65-jährigen Ex-OB per Teilzeit-Nebentätigkeit als Sympathie-Werber einzusetzen, hat gute Gründe. Die 6500 Handwerksbetriebe der Region brauchen qualifizierten Nachwuchs, aber gerade die besseren Schüler zieht es eher zu Weiße-Kragen-Berufen. Schon jetzt bleiben anspruchsvollere Lehrstellen unbesetzt, weil es an geeigneten Bewerbern fehlt. Für die anstehenden geburtenschwachen Jahrgänge prognostizieren alle Experten dem Handwerk massive Einbrüche.Helmut Schröers Tätigkeit hat nichts mit ehrenamtlich zu leistender Patenschaft oder Vermittlungshilfe für Schüler zu tun, wie es die öffentliche Debatte bisweilen suggerierte. Daraus macht er auch an der Freiherr-von-Stein-Realschule keinen Hehl. Er feilt am Image eines Berufsstands. Was den Schülern spontan zum Thema Handwerksberufe einfällt, macht das Problem gleich deutlich: Metzger, Bäcker, Fliesenleger, Dachdecker werden genannt - nicht unbedingt die attraktivsten Berufsbilder für 15-Jährige. Ungläubiges Staunen, als Schröer schätzen lässt, wie viele Ausbildungsberufe es gibt: Über 100 sind es, allein 80 davon in der Region Trier. Plötzlich fallen Begriffe wie Mechatroniker, Zweiradmechaniker oder Schallschutz-Isolierer. Wieso dieser Beruf wichtig sei? "Wegen des Umweltschutzes", antwortet eine Schülerin. Das klingt schon viel interessierter. Geschickt führt Schröer, der die Schüler duzt, eine Karikatur ein, die klischeehaft einen Handwerker und einen Büromenschen zeigt.Ungläubiges Staunen

Auf den ersten Blick wirkt der Anzugträger überlegen, aber im Gespräch mit den Schülern wird herausgearbeitet, dass auch der Blaumann seine guten Seiten hat. Zum Beispiel, dass er abends in die Hand nehmen kann, was er tagsüber erarbeitet hat. Im Büro ist das schwierig. Und noch einem Vorurteil versucht der Ausbildungsbotschafter zu Leibe zu rücken: Dass Hand-Arbeit schlechter bezahlt wird als Kopf-Arbeit. Als er verkündet, dass Handwerks-Lehrlinge eine Ausbildungsvergütung von fast 600 Euro einstreichen können, geht ein leichtes Raunen durch die Klasse. Kein neuer Effekt für Schröer, der Woche für Woche durch die Realschulen und vereinzelt auch durch Hauptschulen zwischen Neuerburg, Thalfang und Saarburg pilgert. Unterm Strich seien die Schüler aber meistens gut über die Berufs-Perspektiven informiert, erzählt der frühere Berufsschullehrer. Die Schulen haben Berufsvorbereitung längst auf den Stundenplan gesetzt, berichtet Lehrerin Renate Falkenhahn, die Schröer eine ihrer Unterrichtsstunden "geliehen" hat. Und die ist dann doch schneller zu Ende, als der Alt-OB kalkuliert hat. Und anders als im Stadtrat bestimmt hier nicht der Vorsitzende, sondern die Klingel über den Schluss. Die Schüler sind, wie es scheint, zufrieden. "Wir haben viel Neues erfahren", sagt Madeleine. "Sehr interessant" findet Heiko, "dass Handwerker auch stolz auf ihren Beruf sind". Ob das was für ihn wäre? "Na ja", zögert er, "ich werde wohl doch Bürokaufmann." Da hat Helmut Schröer offenbar noch einiges zu tun.

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