Anders als andere

Saarburg · Die rheinland-pfälzischen Grünen ziehen mit der Forderung nach einer Klimaschutz-Strategie fürs Land ins Wahljahr 2009. Keine Atom- und keine Kohlekraft, mehr Windräder, hieß es am Wochenende beim Landesparteitag in Saarburg. Es wurde auch ein neuer Landesvorstand gewählt.

Saarburg. Wer wie die Grünen als außerparlamentarische Opposition politisch kaum noch eine Rolle im Land spielt, der hat es schwer. Man hätte vermuten können, beim Landesparteitag würden aufgrund der unbefriedigenden Situation leidenschaftliche Diskussionen um den richtigen Weg entbrennen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Harmonisch, ruhig und sachlich wird zwei Tage lang das Programm abgespult. Die Grünen erstaunen sich wohl selbst, so friedlich sind sie. Ausufernde Debatten werden nicht geduldet. Redebeiträge dürfen drei Minuten dauern, länger nicht. Vier Fragen sind erlaubt, mehr nicht. Nichts darf, so scheint es, die Harmonie und Geschlossenheit stören.

Nur einmal, nachdem der Landesvorstand seinen Rechenschaftsbericht für die vergangenen zweieinhalb Jahre vorgelegt und optimistisch in die Zukunft geblickt hat, wagt ein Redner kritische Anmerkungen. "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Sind wir nicht mehr fähig zur Selbstreflexion?", fragt er die 150 Delegierten in der Saarburger Stadthalle. Kaum hat der Mann ausgesprochen, wird er schon in die Schranken gewiesen. Der Landesvorstand habe gute Arbeit geleistet und die Partei neu aufgestellt. Die Weichen für die Wahlen seien personell und inhaltlich richtig gestellt.

Deutlich wird an diesem Wochenende, dass die Grünen immer noch anders sind als andere. Sie diskutieren über die politischen Anträge. Sie tragen Jeans und T-Shirts, keine Anzüge. Sie sammeln Geld untereinander für einen "Feuerwehrtopf", um im Notfall Reserven zu haben. Sie propagieren den Klimaschutz - was andere auch tun - "aber es ist unser Verdienst, dass darüber gesprochen wird", sagt Vorstandssprecherin Eveline Lemke (44), die mit 77 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt wird. Klimaschutz heißt nach Lesart von Bündnis 90, das Land könne sich bis zum Jahr 2050 ausschließlich mit regenerativen Energien versorgen. Jeder Kreis müsse einen regionalen Klimaplan aufstellen, die Kommunen prüfen, ob sie die Energieversorgung in die eigenen Hände nehmen könnten.

Kritik an einer "Mogelpackung"



Der aus beruflichen Gründen ausscheidende Vorstandssprecher Nils Wiechmann (32) prangert die "Mogelpackung Realschule plus" und die "katastrophalen Bedingungen an den Hochschulen" sowie den "drastischen Unterrichtsausfall" an. Das war´s aber schon mit Kritik an der SPD-Landesregierung. Gastredner Jürgen Trittin, stellvertretender Fraktionschef im Bundestag, verdeutlicht, wofür die Grünen stehen: Gerechtigkeit bedeute nicht, Millionenvermögen unversteuert zu lassen, sondern den Regelsatz für das Arbeitslosengeld II zu erhöhen und einen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen. Freiheit sei "nicht Neo-Kapitalismus, sondern Freiheit vom Überwachungsstaat". Trittins Fazit: "Die große Koalition steht für Stillstand, sie muss abgelöst werden. Wir müssen mit Inhalten so stark werden, dass man nicht an uns vorbeikommt."

Den größten Zuspruch im dreiköpfigen Landesvorstand erfährt bei den Neuwahlen Britta Steck (43) vom Kreisverband Bernkastel-Wittlich, die mit 98 Prozent der Stimmen wiedergewählt wird. Die Schatzmeisterin hat die schwierige Aufgabe gemeistert, trotz geringerer Zuwendungen die Finanzen im Griff zu halten. Neuer Vorstandssprecher wird Daniel Köbler (27) aus Mainz, der sich mit 55 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang gegen zwei Konkurrenten durchsetzt. "Mit ihm hat sich die Partei für den Aufbruch entschieden", kommentiert Pressesprecher Marc Wensierski. Im Parteirat sind aus der Region Trier Ulrike Höfken (Bitburg) und Sabina Quijano (Konz) vertreten.

Meinung

Klientel bedient

Vor zwei Jahren aus dem Landtag geflogen, sinkende Mitgliederzahlen, weniger Geld in der Kasse, bei Umfragen nur knapp fünf Prozent: So sieht die bittere Realität für die Grünen aus. Und doch strahlt die Öko-Partei eine bemerkenswerte Zuversicht aus. Sie wähnt sich auf dem richtigen Weg und erhofft sich vom Parteitag in Saarburg Rückenwind. Diese Rechnung könnte aufgehen. Denn die Grünen konzentrieren sich auf die Themen, die sie stark gemacht haben, in erster Linie die Umweltpolitik. Damit bedienen sie passgenau ihre Klientel. f.giarra@volksfreund.de

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