Angriff des Falken

WASHINGTON. Nach Donald Rumsfelds Verbal-Ohrfeigen für Berlin und Paris liegt Washingtons Marschroute offen: die Kriegsgegner innerhalb der EU isolieren.

Verschmitzt lächelnd, über die Lesebrille äugend und für die Journalisten stets einen Scherz oder ein Bonmot parat haltend ­ so wurde US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schnell zum Medienstar innerhalb George W. Bushs Kriegskabinett. Nun hat der joviale, zu Klartext neigende 70-Jährige, der bereits vor 27 Jahren Ex-Präsident Gerald Ford als Pentagon-Chef diente, die Tonart vorgegeben für eine beispiellose Konfrontation zwischen Washington und den engen Verbündeten in Berlin und Paris. "Sie denken bei Europa an Frankreich und Deutschland", sagte Rumsfeld gegenüber Pressevertretern, "ich tue es nicht. Ich denke, das ist das alte Europa." Und: "Deutschland ist ein Problem, Frankreich ist ein Problem. Es gibt jedoch eine Menge anderer Staaten in Europa, die in der Irak-Frage an der Seite der USA stehen." Vertritt Rumsfeld mit dieser provokanten These, die jenseits des Atlantiks harsche Proteste und energischen Widerspruch provozierte, lediglich seine persönliche Meinung? Oder ist sie ein Signal für eine neue Marschroute des US-Präsidenten und den absehbaren Versuch, im Konflikt um den künftigen Kurs zur Entwaffnung Saddam Husseins die Europäer auseinander zu dividieren? Eine klare Antwort darauf zeichnete sich gestern bereits ab. George W. Bush gab nach der Frühbesprechung im Weißen Haus die Devise aus: Wir stehen hinter Rumsfeld. Pflichtgemäß trug dann auch Bush-Sprecher Ari Fleischer gegenüber Korrespondenten vor: "Es wird wohl einige Freunde geben, die bei unseren Bemühungen an den Seitenlinien stehen werden." Gleichzeitig äußerte Fleischer Zuversicht, dass notfalls eine "multilaterale" Koalition den Diktator in Bagdad entwaffnen werde. Das Wort "unilateral" fiel in diesem Zusammenhang nicht ­ man hat also vom Ziel einer Einigkeit im Sicherheitsrat Abschied genommen. Fleischer nannte namentlich Länder wie Großbritannien, Australien, Indien ­ und "die neuen osteuropäischen EU-Mitglieder". Damit scheint die Strategie Washingtons für die nächsten Wochen fest zu stehen: Deutschland und Frankreich innerhalb Europas zu isolieren und gleichzeitig zu versuchen, in anderen Ländern ­ genannt werden hierbei immer wieder Spanien, Italien, Polen und die Tschechei ­ klare Rückendeckung für den amerikanischen Kurs zu finden. Die Regierungen in Berlin und Paris will man hingegen als Verzögerer brandmarken, die selbst die von UN-Chefinspektor Hans Blix kritisierten Versäumnisse des Irak bei der vorgeschriebenen Offenlegung von Waffenprogrammen nicht als ernsthaften Vorgang betrachten. Zudem will man, so ist in Washington zu hören, eine zweite Resolution im Weltsicherheitsrat offenbar nur noch dann anstreben, wenn zuvor sichergestellt ist, dass Frankreich nicht sein Veto einlegen wird. Dass der als "Falke" geltende Rumsfeld für seinen Konfrontationskurs gegenüber Berlin und Paris breite Rückendeckung im Bush-Kabinett hat, wurde auch durch scharfe Äußerungen des bisher als moderat und versöhnlich auftretenden Außenministers Colin Powell deutlich. "Es gibt einige Staaten in der Welt", sagte er, "die sich gern einfach von diesem Problem abwenden und behaupten, es existiere gar nicht." Was dem Vorwurf an Frankreich und Deutschland gleich kommt, an einer Entwaffnung Saddam Husseins nicht interessiert zu sein.

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