Angst vor Muttergefühlen

ZEMMER-RODT. Zunächst war für Martina und Dieter Arens aus Zemmer-Rodt (Kreis Trier-Saarburg) die Welt noch in Ordnung: Ihr Wunschkind war unterwegs und die Schwangerschaft bisher problemlos verlaufen. Bis eine schwere Schwangerschaftsvergiftung auftrat. Folge: Töchterchen Gina kam als Frühgeburt zur Welt.

Noch heute ist Martina Arens anzumerken, wie sehr sie die Ereignisse jener Zeit mitgenommen haben. "Es war im April vor drei Jahren in der 31. Schwangerschaftswoche. Mir war übel, und ich hatte Schmerzen im Oberbauch. Bei einer Routineuntersuchung im Krankenhaus an diesem Tag vermutete man als Ursache der Übelkeit eine Fischmahlzeit am Mittag." Zwei Stunden später, nachdem die Beschwerden heftiger geworden waren, riet ihr der Frauenarzt, sich erneut ins Krankenhaus zu begeben, wo man ihr Blut untersuchte. "Mein Körper spielte total verrückt", erzählt Martina Arens "ich hatte kolikartige Schmerzen, der Blutdruck ging hoch, mir war schlecht." Mit Verdacht auf die gefährlichste Form der Gestose (Schwangerschaftsvergiftung), dem Helpp-Syndrom, wurde sie noch in der Nacht ins Mutterhaus nach Trier verlegt. Der Verdacht bestätigte sich. Eine Beeinträchtigung der Leberfunktion, Blutgerinnungsstörungen, kritischer Bluthochdruck und erhöhte Eiweißwerte wurden nachgewiesen. Schlimmer als die Schmerzen erlebte Martina Arens ihre Gefühle: "Es war chaotisch. In mir drehte sich alles, ich hatte Panik und fürchterliche Angst um mein Kind." Mit Kortisonspritzen versuchten die Ärzte, die Lungenreife des Ungeborenen zu fördern. Die werdende Mutter wurde bereits vom Anästhesisten über einen möglichen Kaiserschnitt aufgeklärt. Bis es soweit war, verging allerdings noch fast eine Woche. "Eine Woche Berg- und Talfahrt", beschreibt die junge Frau diese Zeit, in der nicht nur sie, sondern auch ihr Mann Dieter litt: "Alle paar Stunden war die Meldung anders. Mal ging es gut, dann wieder sehr schlecht." Am 16. April schließlich war der Zustand von Martina Arens so kritisch, dass man sich entschloss, das Kind auf die Welt zu holen. Entgegen aller Prognosen besserte sich der Zustand der Mutter nach der Geburt nicht. Deshalb blieb sie vorerst auf der Intensivstation, bis sie ihre kleine, nur 1640 Gramm leichte Tochter Gina im Brutkasten zum ersten Mal sehen konnte. Sie hatte Angst, mütterliche Gefühle für die Kleine zu entwickeln. "Ich dachte, binde dich erst gar nicht, vielleicht musst du schon bald wieder loslassen. Es kann noch so viel passieren." Aber es ging alles gut. Die Mutter war drei Wochen später, das Kind, inzwischen 2500 Gramm schwer, sechs Wochen später zu Hause. Dort versuchte Martina Arens das Erlebte zu bewältigen. "Ich habe mich mit allen Informationen versorgt, die ich auftreiben konnte." Auch über die Enttäuschung, weder das letzte Stadium der Schwangerschaft noch eine normale Geburt erlebt zu haben, half sie sich hinweg. Ihre Sorge galt fortan dem Kind. "Das erste Jahr war geprägt von Vorsicht und einem strengen Rhythmus. Ginas Darm funktionierte noch nicht richtig. Wir wollten viel Ruhe, deshalb haben wir Leute gemieden." Dieter Arens ergänzt: "Und wir hatten bei jedem Husten Angst." So schlimm die Zeit der Geburt auch war, eins hat sie bei Familie Arens bewirkt: "Das alles hat uns zusammengeschweißt. Und wir haben gelernt, Wichtiges von Zweitrangigem zu unterscheiden." Die Vorsicht ist geblieben. Manchmal ertappen sich die Eltern dabei, wie sie mit Argusaugen über das Wohl ihrer Tochter wachen, obwohl sie gar nicht überfürsorglich sein wollen. Gina hat sich prächtig entwickelt und geht jetzt in den Kindergarten.

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