Angst vor der linken Mehrheit

Jung, dynamisch - und streberhaft? Die (neuen) jungen Wilden in der Union machen mobil. 18 Seiten "Grundsatzpapier" haben CSU-Generalsekretär Markus Söder, der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, der CDU-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Stefan Mappus, und der nordrhein-westfälische CDU-General Hendrik Wüst verfasst.

Berlin. Es geht in dem Papier der vier um die Rückbesinnung auf eine alte Tugend der Union: den bürgerlichen Konservatismus. Aber weil das dann doch großväterlich-verstaubt klingt, setzen die vier politisch mehr oder minder einflussreichen Autoren noch das Wort "moderner" davor: "Moderner bürgerlicher Konservatismus."

Solche Wortspiele sind in der Union beliebt. Schon Angela Merkel propagierte die "neue" soziale Marktwirtschaft. In den C-Parteien übt man eben immer dann den Spagat zwischen Zeitgeist und Bewahrung, wenn man sich neuen Wählerschichten öffnen möchte, ohne die alten zu vergrätzen, aber dabei seiner Sache nicht sicher ist.

Wischiwaschi sagen andere ketzerisch dazu. Es gab Treffen der vier Protagonisten, vor allem wurde intensiv telefoniert. Mappus, der starke Mann in Baden-Württemberg, Söder, ein General momentan auf dem Abstellgleis, waren die federführenden Verfasser. Zuerst wurde gestern das Papier an die konservative FAZ lanciert, Basisarbeit sozusagen. Das zentrale Fazit der wilden Vier ist: Die Große Koalition und ihre Kompromisse sind schuld, dass der Union das konservative Markenzeichen abhanden gekommen ist. Wer sonst. Die SPD behauptet dies übrigens auch, wenn sie über ihre mangelnden Konturen klagt. Parteipolitischer Alltag also.

Treue, Disziplin und Anstand im Kommen

"Nur mit einem klaren Profil, das bürgerlichem und konservativem Denken eine Heimat gibt, kann die Union ihr Wählerpotenzial voll ausschöpfen", heißt es in dem Papier. Man suggeriert: Aus dem miserablen Wahlkampf 2005 haben wir gelernt. Aber Vorsicht: Bei der naiven Umsetzung dieses Leitgedankens ist schon mancher in der Union gescheitert - zuletzt Baden-Württembergs erster Trauerredner und Ministerpräsident Günther Oettinger, der mit diesem Gedanken im Hinterkopf ziemlich ungeschickt im konservativen bis rechten Lager fischen wollte. Die Folgen waren verheerend.

Was wollen die Autoren also besser machen? Die Zeit drängt, die Angst vor einer linken Mehrheit nach der Bundestagswahl 2009 sitzt ihnen im Nacken. Tugenden wie Disziplin, Treue, Respekt und Anstand sehen sie im Kommen, Heimatverbundenheit und "ein lebendiges Brauchtum" ebenfalls. Früher war dies Konservatismus, heute ist es moderner Konservatismus. Genau wie dies: Die christlich-abendländische Religionsausübung wollen die aufstrebenden Talente fördern, und Familie nicht mehr nur "unter wirtschaftlichen und finanziellen Aspekten" sehen. Und: "Die Ehe ist ein Erfolgsmodell", die soziale Marktwirtschaft auch. Außerdem liest man: "Wer zu Recht mehr Eigenverantwortung fordert, muss den Menschen auch mehr Sicherheit geben." Das klingt wenigstens noch spannend, denn das dürfte die Quadratur des Kreises werden.

Aber: Man ist jung und wild und strebt nach mehr. Konservativ eben. Nein, Angela Merkel muss sich vor diesem vermeintlichen Angriff nicht fürchten, zwischen der Identität ihrer Partei und dem Machbaren in der Großen Koalition liegen naturgemäß Welten. Das ist ihr argumentatives Pfund.

Wenn das Papier als Denkschrift gedacht ist, dann wohl eher für Generalsekretär Ronald Pofalla. Ganz einfach, damit sich die Fehler des Wahlkampfs 2005 nicht 2009 wiederholen. Genau das dürfte Pofalla allerdings schon wissen.

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