Außenministerin Hillary Clinton?

"Gefährlich und naiv" sei es, sich mit Führern von Staaten wie Iran oder Venezuela ohne Vorbedingung zu treffen. Mit diesen Worten hatte bei den Vorwahlen im Frühjahr Hillary Clinton die Pläne ihres schärfsten Widersachers Barack Obama attackiert, der auf verstärkte Diplomatie zur internationalen Krisenbewältigung setzen will. Kommt nun ausgerechnet die frühere First Lady in die pikante Situation, diese neue Strategie umsetzen zu müssen?

Washington. Gestern verdichteten sich in den USA die Hinweise, dass Obama die 61jährige Senatorin aus New York ernsthaft für das Amt der künftigen Außenministerin in Erwägung zieht.

Unter Berufung auf zwei anonym bleibende Berater Obamas meldeten gleich mehrere Fernsehsender sowie die "Chicago Tribune", dass der Präsident in spe Hillary Clinton zu den Favoriten für diese Schlüsselposition zähle oder ihr diesen Job sogar schon angeboten habe. Am Donnerstag hielt sich Clinton den ganzen Tag in Obamas Heimatstadt Chicago auf - "für private Geschäfte", wie es in ihrem Büro hieß. Sie werde aber ein solches Angebot "grundsätzlich nicht ausschließen".

Am Montag noch hatte Clinton geäußert, sie sei als Senatorin des Staates New York "glücklich" und habe eine lange Erledigungsliste. Andererseits wolle sie aber alles unternehmen, um der Agenda des neuen Präsidenten zum Erfolg zu verhelfen.

Die Berufung Clintons wäre ein politischer Paukenschlag, der es Barack Obama erleichtern würde, den Frieden in einer nach den erbitterten Vorwahlen gespaltenen Partei wiederherzustellen. Und Clinton verfügt über ausreichend außenpolitische Erfahrung für eine solche Position: Im Senat sitzt sie im wichtigen Streitkräfte-Ausschuss, als ehemalige "First Lady" erlebte sie von 1993 bis 2001 alle außenpolitischen Krisen aus nächster Nähe. Als Ballast trägt sie aber auch ihr "Ja"-Votum für den Einmarsch im Irak aus dem Jahr 2003 im Gepäck. Und nach Ansicht von Beobachtern muss Obama darauf bedacht sein, sich bei seiner Regierungsbildung nicht allzu stark auf Mitglieder der Clinton-Ära zu stützen. Denn dies könnte die Kernaussage seines Wahlkampfs entwerten, er strebe "change", also einen Wechsel im Establishment von Washington, an.

Bemerkenswert ist angesichts der Spekulationen, dass ein großer Teil jener Berater, die jetzt an Obamas Kabinettsriege zimmern, früher bei Bill Clinton im Dienst standen - und nun vielleicht mit einer gezielten Indiskretion versuchen, die öffentlichen Reaktionen auf eine Außenministerin Hillary Clinton zu testen.

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