"Auch Terroristen brauchen Schlagzeilen"

"Afghanistan ist keine Friedensmission, es ist Krieg, ein Guerillakrieg", sagt Rolf Tophoven, Leiter des Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik (Iftus) in Essen, anlässlich eines Vortrags zum "Terror der neuen El Kaida nach dem 11. September 2001" im Prümer Konvikt. Und für Tophoven, der, was die Beteiligung der Bundeswehr in diesem "Guerillakrieg" betrifft, von einer "verstörten, politischen Wahrnehmung" spricht, ist der erweiterte Kampfeinsatz deutscher Soldaten wegen der Verpflichtung gegenüber den Nato-Partnern unausweichlich.

 Rolf Tophoven. TV-Foto: Uwe Hentschel

Rolf Tophoven. TV-Foto: Uwe Hentschel

Prüm. (uhe) Über den Terror der neuen El Kaida nach den Anschlägen des 11. September 2001 hat Rolf Tophoven im Prümer Konvikt referiert. Im Gespräch mit unserem Mitarbeiter Uwe Hentschel warnte der Direktor des Essener Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik im Anschluss an den Vortrag vor zu viel Panik - was Wachsamkeit jedoch nicht ausschließen soll. Herr Tophoven, Sie haben Ihren Vortrag mit der zwar nicht ernst gemeinten, aber wahrscheinlich dennoch realistischen Lagebewertung abgeschlossen: "Die Basilika, der Marktplatz und das Prümer Land sind sicher!" Wenn wir jetzt den Radius erweitern und die US-Airbase Spangdahlem mit einbeziehen, wie sieht es dann aus?Tophoven: Amerikanische Stützpunkte sind natürlich grundsätzlich ein Ziel, so schwierig auch die Überwindung der Sperranlagen ist. Schließlich sind die USA der Feind Nummer eins. Danach kommen vielleicht alle Staaten, die im Irak involviert sind. Und in Afghanistan. Und hier rückt auch Deutschland durch das zunehmende Engagement der Bundeswehr in diesem Ranking immer mehr nach oben. Wäre ein Airbase-Standort in einer ländlichen Region wie der Eifel für einen Anschlag vielleicht auch interessant, weil das Umfeld weniger überwacht ist?Tophoven: Ich sage es mal so: Ein Anschlag muss ja auch vorbereitet sein, denn er erfordert eine gewisse Logistik. Und die ist sicherlich in einer Großstadt, wo Sie Verstecke und geheime Wohnungen haben, leichter herzustellen als im ländlichen Gebiet. Hier fallen verdächtige Personen eher auf als in der Großstadt. Wenn Sie beispielsweise die Studentensilos der Uni Bochum sehen, da ist ja die Anonymität geboren. Da weiß doch keiner, wer drei Türen weiter wohnt. Sie sprachen in Ihrem Vortrag auch davon, dass Sie den Eindruck haben, die Terroristen hätten unser Denken schon zu sehr beeinflusst. Ist die Angst in unseren Köpfen für die El Kaida möglicherweise wichtiger als die Anschläge selbst?Tophoven: Nun, wir beschäftigen uns ja damit. Und je mehr ich mich mit einer Sache beschäftige, desto mehr identifiziere ich mich auch damit. Bis ich schließlich verkrampfe. Nur wenn Sie natürlich am Frankfurter Flughafen am Schalter stehen, und ausgerechnet in diesem Moment passiert ein Anschlag, dann sind Sie leider zur falschen Zeit am falschen Ort. Das kann man nie ausschließen. Doch hier auf dem Land wird einem so etwas sicher nicht passieren. Denn auch die Terroristen brauchen Schlagzeilen. Und die bekommen sie nur, wenn sie es auf Ballungszentren wie beispielsweise Frankfurt abgesehen haben? Tophoven: Die Terroristen wählen schon danach aus, was die größte Wirkung hat. Der Nestor der amerikanischen Terrorismusforschung, Brian Jenkins, hat vor Jahren einmal gesagt: "Terroristen wollen, dass wenige Menschen sterben, aber Millionen zusehen." Das war lange Zeit gültig. Heute ist das anders. Heute wollen die Terroristen, dass möglichst viele getötet werden und dass dabei möglichst viele zusehen. Wie im Irak, wo Selbstmordattentate auf der Tagesordnung stehen und sich die Menschen mit der ständigen Gefahr bereits arrangiert haben, wie es scheint. Wäre diese Gelassenheit für uns auch hilfreicher?Tophoven: Die Menschen im Irak und deren Gelassenheit sind eine andere Sache. Es geht ja hier um Deutschland und darum, dass man nicht immer bei jedem Gepäckstück, das man sieht, in Panik verfällt. Wer damit anfängt, darf nicht mehr mit dem Zug fahren oder fliegen. Und dann muss man in letzter Konsequenz den Flugverkehr einstellen. Sicherlich sollte man eine gewisse Gelassenheit an den Tag legen. Das heißt aber nicht, dass Gelassenheit auf Kosten der Wachsamkeit geht.

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