Auf Kreuzzug für die Werte

BITBURG/MAINZ. Er war USA-Korrespondent für die ARD und leitet seit zwei Jahren das ZDF-Heute-Journal: Claus Kleber. Am Freitagabend sprach er in Bitburg im Rahmen des Beda Marktes über Amerika.

Herr Kleber, ihr Vortrag in Bitburg hat den Titel "Amerika hält Kurs". Das klingt für viele wie eine Drohung... Kleber: Als Drohung ist es nicht gemeint. Ich denke nur, dass wir uns von der "Charme-Offensive" des Präsidenten nicht allzu viel erwarten sollten. Ich habe ja selber den Charme der Außenministerin mehrfach aus der Nähe erleben dürfen – eine rundum angenehme Erfahrung – aber dahinter verbirgt sich immer noch eine ganz glasklare aber auch stahlharte Politik. Dieser Präsident weiß, was er will, und er ist entschlossen, sich durchzusetzen. Wie wird das aussehen? Kleber: Die Mannschaft um Bush ist überzeugt davon, dass Amerika als Führungsmacht – mit so vielen Verbündeten wie möglich – die Welt umgestalten muss. Demokratie, freie Märkte, Menschenrechte müssen sich rund um den Globus durchsetzen. Nur so kann eine Macht, die rund um den Erdball Interessen hat, in Sicherheit leben. Das ist ziemlich verkürzt. Ganz so schlicht ist auch das Gedankengebäude der so genannten "Neokonservativen" nicht, die in Bushs Washington den Ton angeben. Aber so ist die Grundrichtung. Ist ein neues Zeitalter der "Kreuzzüge" angebrochen, wie es der Titel ihres neuen Buchs vermuten lassen könnte? Kleber: Fällt Ihnen was auf? Da ist nirgendwo von Jesus oder dem Christentum die Rede. Der Präsident ist auf eine für ihn sehr dramatische Weise ein tief-überzeugter Christ geworden, aber er will die Welt nicht für seine Konfession missionieren. Er sagt das immer wieder und das ist etwas, was ich ihm glaube. Er führt einen Kreuzzug für Amerikas Werte. Die meisten davon können wir Europäer unterschreiben. Die Art, wie er es macht, oft nicht. Der Irak wird überrannt, nicht aber Nordkorea oder Iran, die an der Bombe bauen. Führt das nicht andere "Schurkenstaaten" in nukleare Versuchung? Kleber: Allerdings. Aber ich glaube nicht, dass die amerikanische Politik unter Bush wirklich der Auslöser dafür ist. Iran und Nordkorea haben schon zu Clintons Zeit ihre Atomprogramme vorangetrieben. Zu den transatlantischen Beziehungen: Wie tief geht die neue Harmonie mit dem alten Europa? Kleber: Bush hat in seiner ersten Rede nach der Wahlnacht klar gemacht, dass er in Zukunft mehr mit den Verbündeten reden will. Allerdings hat er auch gesagt, dass das dazu dienen soll, uns seine Absichten klarer zu machen. Bis daraus eine Art von "Miteinander" wird, wie man es sich in Berlin oder Paris erträumt, muss noch eine Menge passieren. Allerdings müssten die Europäer dafür auch mehr bieten. Besonders in der Verteidigungspolitik. Eine ihrer ARD-Sendungen hieß "Mein Amerika". Erkennen sie dieses Amerika noch wieder? Ist "God's own country" von allen heiligen Geistern verlassen – oder sehen wir Europäer das zu eng? Kleber: Nein, nein. Nicht von allen guten Geistern. Es gibt immer noch einen sehr guten, optimistischen Geist in Amerika, den ich immer schon gemocht habe. Allerdings ist jetzt wieder einmal eine Regierung aus dem Herz des Landes an der Macht, mit der wir Europäer mit unseren Bindungen zu den Eliten in den großen Städten immer schon Probleme hatten. Reagan, Clinton, zweimal Bush – sie haben vier US-Präsidenten begleitet. Welcher ist der ergiebigste für einen Journalisten? Kleber: Da muss ich mich irgendwann mal zwischen Clinton und Bush junior entscheiden. Eine Lewinski hat uns der junge Bush nicht zu bieten. Aber ernsthaft: Es sind eigentlich immer die kontroversen Figuren, die für uns Journalisten interessant sind. Deshalb war auch Reagan so faszinierend. Jetzt habe ich fast alle genannt. Amerikanische Präsidenten sind einfach zu mächtig, um langweilig zu sein. Als Reporter sind sie nur noch selten unterwegs. Wären sie nicht doch manchmal lieber wieder draußen? Kleber: Na, ich kann nicht klagen. Seit ich das Heute-Journal mache, habe ich ein halbes Dutzend arabischer Länder, Afghanistan und die Türkei bereist. Außerdem war ich immer wieder in Amerika. Eine ganze Menge für gerade mal zwei Jahre. Jetzt hole ich erstmal "Deutschland und Europa" ein bisschen nach. Es muss ja nicht immer eine Kamera dabei sein. S Die Fragen stellte unser Mitarbeiter Fritz-Peter Linden. Claus Kleber: "Amerikas Kreuzzüge – Was die Weltmacht treibt" Verlag C. Bertelsmann 19,90 Euro.

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