Auf bestem Weg ins Sommertheater

Berlin. Empörung nach außen, Freude hinter den Kulissen: Die Bundesregierung reibt sich angesichts des Vorstoßes von Unionsfraktionsvize Friedrich Merz, den Kündigungsschutz abzuschaffen, heimlich die Hände. Denn dieser Radikalvorschlag sorgt für neuen Zoff in CDU und CSU.

Empörung gehört zum Geschäft. Nichts als "radikale Phrasen", kommentierte gestern der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg mit markigen Worten, sei der provokante Vorstoß von Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz, den Kündigungsschutz komplett abzuschaffen. SPD-Chef Franz Müntefering machte bei der Opposition sogar einen "ungenierten Kapitalismus" aus, weil die CDU "immer hemmungsloser" Arbeitnehmerrechte zerschlagen wolle. In Wahrheit freut sich das Regierungslager aber diebisch über die mal eben hinaus posaunte Idee des schwarzen Radikalreformers Merz. Denn die Union ist drauf und dran, in diesem Jahr das ungeliebte Sommertheater zu bestreiten: Bei jedem der großen Reformthemen gibt es keine abschließende Festlegung im Oppositionslager, stattdessen wird sich gezofft. Während gestern die Ministerpräsidenten Roland Koch aus Hessen und Christian Wulff aus Niedersachsen den Kündigungsschutz-Vorstoß von Friedrich Merz unterstützten, sprach sich Saarlands Ministerpräsident Peter Müller gegen eine generelle Abschaffung aus. Ebenso CDU-Parteivize Christoph Böhr: "Es macht doch keinen Sinn, jetzt in einen Wettbewerb um den radikalsten Vorschlag einzugehen und immer mehr Menschen zu verprellen", trat der Rheinland-Pfälzer auf die Debatten-Bremse. Aus guten Gründen: Zum einen, weil die Union das heraufziehende Sommerloch in der Tat zu füllen droht und damit den Genossen ordentlich Auftrieb geben würde. Zum anderen geht aber inzwischen im Konrad-Adenauer-Haus die Sorge um, dass die CDU durch immer forschere Reformideen schon bald vom Wähler nur noch als "Partei des Sozialabbaus" wahrgenommen werden könnte, wie kürzlich die Vorsitzende Angela Merkel selbst anmerkte. Der neue Zoff unter den Schwarzen ist allerdings nur die konsequente Fortsetzung der bisher schon undurchsichtigen Linie beim Thema Kündigungsschutz. Denn stets ging es innerhalb der Union bei den Details hin und her. Zuletzt in der vorigen Woche, als Generalsekretär Laurenz Meyer entgegen bisheriger Beschlüsse in einem deftigen arbeitsmarktpolitischen Positionspapier eine neue Keule herausholte.Weniger Kündigungsschutz schafft nicht mehr Jobs

Das Kündigungsschutzgesetz, so Meyer, dürfe künftig erst bei Neueinstellungen für Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern gelten und solle nicht mehr bei Arbeitnehmern angewendet werden, die bei der Neueinstellung "älter als 53 Jahre sind". Das war schon für viele in der Partei starker Tobak - mit seiner Forderung nach kompletter Abschaffung hat der eigenwillige Sauerländer Merz am Wochenende nun aber noch eins draufgesetzt und ohne Not neuen, noch größeren Verdruss vor allem beim Arbeitnehmerflügel der Christdemokraten geschürt. Hinter dem Merz-Vorschlag verbirgt sich die weit verbreitete Auffassung, dass weniger Kündigungsschutz zu mehr Arbeitsplätzen führen wird. Regierungssprecher Thomas Steg meinte gestern dazu: "Es ist eine Mär anzunehmen, dass Kündigungsschutz Beschäftigung verhindert." Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur zahlreiche Studien. Schon Altkanzler Helmut Kohl (CDU) wollte mit Änderungen beim Kündigungsschutz gegen die wachsende Arbeitslosigkeit ankämpfen - aus den versprochenen mehreren hunderttausend Arbeitsplätzen wurde aber nichts. Im Gegenteil: Die Zahl der Arbeitslosen stieg weiter an.

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