Auf der Suche nach der Marke SPD

Die SPD tut sich schwer damit, dass Wähler heutzutage Parteien nicht mehr als Glaubensfrage begreifen, sondern eher wie Kunden, die ein Produkt oder eine Dienstleistung kaufen. Was sie erwarten, ist ein solider Markenkern, klares Profil, gleichbleibende Qualität - und dass in der Packung drin ist, was draufsteht.



Der Kern der Marke SPD ist eine halbwegs gerechte und faire Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen. Und Aufstiegs-Chancen für jeden, unabhängig von der sozialen Herkunft. Das hat seit Godesberg 1959 gut funktioniert, so lange es Zuwächse zu verteilen gab. Als die SPD vor elf Jahren an die Macht kam, war aber nichts mehr zu verteilen - es sei denn, man nahm es jemandem weg.

Die Schröder-, Müntefering- und Steinmeier-Sozialdemokratie verpasste die historische Chance, den Bürgern notwendige schmerzhafte Einschnitte durch eine gerechte Verteilung von Lasten zu vermitteln. Stattdessen bastelte man sich Gesetze zusammen, die einen ohne eigene Schuld arbeitslos Gewordenen nach 30 Jahren Einzahlung in die Sozialkassen genau so behandelten wie einen notorischen Arbeitsverweigerer. Man belastete Kleinverdiener mit der - zuvor kategorisch ausgeschlossenen - Mehrwertsteuererhöhung und reduzierte die Steuerlast von Hochverdienern, Börsenspekulanten und Unternehmen.

Familienpolitik war "Gedöns", in der Bildungspolitik ruhte man sanft. Alles ursozialdemokratische Themen.

Der neue SPD-Chef Gabriel hat in einer bemerkenswerten Rede seiner Partei die richtige Richtung gewiesen: Wenn die SPD aus dem Tal der Tränen raus will, muss sie erst einmal ihren Markenkern für sich selbst neu definieren und dann die Wähler davon überzeugen, dass sie das, was sie sagt, auch ernst meint. Wenn sie freilich jetzt der auf dem Parteitag spürbaren Basis-Stimmung folgt, in einen nostalgischen Wettbewerb mit der Linkspartei um die Rolle der wackersten Arbeitnehmer-Schützer einzutreten, baut sie sich selbst die nächste Hürde auf. Weil,beispielsweise, die Rente mit 67 auch dann notwendig bleibt, wenn sie vielen Wählern nicht passt.

Es wird in den nächsten Jahren angesichts von Krisenfolgen, Staatsverschuldung und Demografie noch viel mehr Besitzstände geben, die infrage gestellt werden müssen. Auch wenn's weh tut. Einen Weg zu finden, wie diese Gesellschaft es schafft, mit weniger zurechtzukommen, halbwegs gerecht, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, oder sich in eine Klasse der Besitzenden und eine der Habenichtse aufzuspalten: Das wäre eine große Aufgabe für die SPD. Dann klappt's auch wieder mit dem Wähler. -pf./dr

d.lintz@volksfreund.de



Meinung

Auf der Suche nach der Marke SPD

Die SPD tut sich schwer damit, dass Wähler heutzutage Parteien nicht mehr als Glaubensfrage begreifen, sondern eher wie Kunden, die ein Produkt oder eine Dienstleistung kaufen. Was sie erwarten, ist ein solider Markenkern, klares Profil, gleichbleibende Qualität - und dass in der Packung drin ist, was draufsteht. Der Kern der Marke SPD ist eine halbwegs gerechte und faire Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen. Und Aufstiegs-Chancen für jeden, unabhängig von der sozialen Herkunft. Das hat seit Godesberg 1959 gut funktioniert, so lange es Zuwächse zu verteilen gab. Als die SPD vor elf Jahren an die Macht kam, war aber nichts mehr zu verteilen - es sei denn, man nahm es jemandem weg. Die Schröder-, Müntefering- und Steinmeier-Sozialdemokratie verpasste die historische Chance, den Bürgern notwendige schmerzhafte Einschnitte durch eine gerechte Verteilung von Lasten zu vermitteln. Stattdessen bastelte man sich Gesetze zusammen, die einen ohne eigene Schuld arbeitslos Gewordenen nach 30 Jahren Einzahlung in die Sozialkassen genau so behandelten wie einen notorischen Arbeitsverweigerer. Man belastete Kleinverdiener mit der - zuvor kategorisch ausgeschlossenen - Mehrwertsteuererhöhung und reduzierte die Steuerlast von Hochverdienern, Börsenspekulanten und Unternehmen. Familienpolitik war "Gedöns", in der Bildungspolitik ruhte man sanft. Alles ursozialdemokratische Themen. Der neue SPD-Chef Gabriel hat in einer bemerkenswerten Rede seiner Partei die richtige Richtung gewiesen: Wenn die SPD aus dem Tal der Tränen raus will, muss sie erst einmal ihren Markenkern für sich selbst neu definieren und dann die Wähler davon überzeugen, dass sie das, was sie sagt, auch ernst meint. Wenn sie freilich jetzt der auf dem Parteitag spürbaren Basis-Stimmung folgt, in einen nostalgischen Wettbewerb mit der Linkspartei um die Rolle der wackersten Arbeitnehmer-Schützer einzutreten, baut sie sich selbst die nächste Hürde auf. Weil,beispielsweise, die Rente mit 67 auch dann notwendig bleibt, wenn sie vielen Wählern nicht passt. Es wird in den nächsten Jahren angesichts von Krisenfolgen, Staatsverschuldung und Demografie noch viel mehr Besitzstände geben, die infrage gestellt werden müssen. Auch wenn's weh tut. Einen Weg zu finden, wie diese Gesellschaft es schafft, mit weniger zurechtzukommen, halbwegs gerecht, ohne sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, oder sich in eine Klasse der Besitzenden und eine der Habenichtse aufzuspalten: Das wäre eine große Aufgabe für die SPD. Dann klappt's auch wieder mit dem Wähler. -pf./dr d.lintz@volksfreund.de

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