Auf die Menge kommt es an

TRIER. Mangelerscheinungen in der Überflussgesellschaft - auf diesen Nenner lässt sich das Essverhalten der Bundesbürger bringen. Doch Ernährungsforscher verzeichneten in den vergangenen Jahren auch einen positiven Trend: So wird der Energiebedarf der Deutschen immer weniger durch Fette gedeckt.

 Heftig und deftig: Wer beim Essen nicht auf Kalorien und Fett achtet, schadet der eigenen Gesundheit. Inzwischen haben sich aber auch in Deutschland die Essgewohnheiten geändert.Foto: dpa

Heftig und deftig: Wer beim Essen nicht auf Kalorien und Fett achtet, schadet der eigenen Gesundheit. Inzwischen haben sich aber auch in Deutschland die Essgewohnheiten geändert.Foto: dpa

Entblößt der schöne Busen, entspannt der wache Blick - die junge Frau wälzt sich im hellen Bettlaken, widmet sich genussvoll der beiden Männer auf ihrer Mattratze. Lust hoch Zwei - dank Brotaufstrich, versprechen die kreativen Werbefilmer und sorgen mit Spot und spanischem Model für Aufsehen. Kaum ist der Streifen über die Bildschirme geflackert, diskutieren Zeitgenossen auch schon über die stimulierende Wirkung von Halbfettmargarine. Lust und Frust - zwischen diesen beiden Polen bewegt sich das Ess- und Trinkverhalten der Deutschen. Was in Maßen gesund ist, macht in zu geringen oder zu großen Mengen krank. So sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen ebenso wie Diabetes Mellitus oder Osteoporose teilweise auf eine falsche Ernährungsweise zurückzuführen. Der aktuelle Bundesgesundheits-Überblick des Robert-Koch-Instituts (RKI) verzeichnet jedoch auch einen positiven Trend: Demnach decken die Deutschen ein Drittel ihres Energiebedarfs mit Fett. Womit sie sich den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sowie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den letzten Jahren angenähert haben, die 30 Prozent für erstrebenswert halten. Ein Wert, der gleichwohl noch von drei Vierteln der Bevölkerung überschritten wird. Hauptenergiequellen der Deutschen sind Milchprodukte. Doch hier zeigt sich auch die Crux der "ausgewogenen" Ernährung. Denn Milchprodukte enthalten gesättigte Fettsäuren, die im Übermaß gesundheitlich bedenklich sind. Der hohe Calciumanteil ist jedoch durchweg positiv zu sehen. Ernährungsexperten des RKI raten deshalb zu fettarmen Varianten von Milch, Quark oder Joghurt. Brot rangiert als Energiequelle auf Platz zwei, doch als Lieferant von Kohlenhydraten steht es an der Spitze. Empfohlen wird ein Anteil von rund 50 Prozent am Gesamtenergiebedarf; ein Wert, der momentan nicht einmal von jedem zweiten Bundesbürger erreicht wird. Da zur Gruppe der Kohlenhydrate jedoch auch Ballaststoffe zählen, sind sie gleich doppelt wertvoll. Denn diese sind wichtig für die Verdauungsaktivitäten des Magen-Darm-Traktes und wirken nach Expertenmeinung präventiv gegen Erkrankungen wie Dickdarmkrebs oder Gallensteine. Doch auch der Anteil der Proteine muss stimmen. Sie wirken als so genannte Biokatalysatoren und regulieren den Stoffwechsel. Die DGE hält bei Erwachsenen einen Bedarf von 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht für erstrebenswert, was einem Energieanteil von etwa zehn Prozent entspricht. An Proteinmangel leidet hierzulande praktisch niemand mehr. Statt dessen wird oft ein Übermaß an tierischen Proteinen aufgenommen. Und das meist in Kombination mit Cholesterin und Fett, was gleichermaßen bedenklich werden kann. Dass Essen eine Leidenschaft ist, die auch Leiden schaffen kann, zeigt sich gerade in den Industrienationen. Immer mehr Menschen haben Übergewicht und müssen deshalb gesundheitliche Folgen fürchten. Doch es leben und essen auch immer mehr Menschen gesundheitsbewusster, was einher geht mit einem sich seit Jahren verstärkenden Fitnesstrend. Der setzt körperliche Makellosigkeit mit Erfolg und Schönheit gleich und die weniger Makellosen unter Druck. Zugleich führt der Körperkult aber auch zu mitunter abstrusem Essverhalten. So kritisiert der Freiburger Mediziner und Autor Werner Bartens beispielsweise den schnellen Griff zu Vitamintabletten und spricht von einem "Leiden am eingebildeten Mangel". "Dass Mitteleuropäer, die sich normal ernähren und gesund sind, keinerlei Vitaminzusätze brauchen, ist unstrittig", so Bartens in seinem kürzlich erschienenen Buch "Was hab' ich bloß?" Wie umstritten Ernährungsfragen sein können, zeigt das Beispiel Alkohol: Dem moderaten Alkoholkonsum wird eine gewisse präventive Wirkung zugeschrieben. Wein in Maßen sei eine Medizin, behaupten manche Forscher und Ärzte, und verweisen auf Erfahrungen aus dem Süden Europas. Martina Burger vom Robert-Koch-Institut warnt indes eindringlich davor.

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