Auf einen Eiskaffee mit Gesine Schwan

Sie kommt im schwarzen Kleid. Trauer? Genüsslich schlürft sie ihren Eiskaffee. "Stimmt, ich muss mir neue Sachen kaufen. Auch mal andere Farben, nicht nur Rot und Schwarz", sagt sie...

Berlin. Gesine Schwan hat eine große Reise vor sich, die sie im Mai 2009 bis ins Schloss Bellevue führen soll. Und jetzt ist der Koffer weg, aus Versehen von Otto Schilys Ehefrau mitgenommen nach Italien, als man sich am Flughafen München am Förderband begegnete. Seitdem hat Gesine Schwan gemerkt, dass sie einfach zu wenig zum Anziehen hat, um Präsidentin der Bundesrepublik Deutschland zu werden.

Wenn überhaupt, dann wird sie eine Vielfarben-Präsidentin. Rote, Grüne, Tiefrote sollen sie wählen. Schwarz und Gelb wird wenig dabei sein. Das Gespräch im Café "Einstein" Unter den Linden in Berlin findet an dem Tag statt, an dem Unions-Fraktionschef Volker Kauder erklärt hat, seine Fraktion brauche keinen Vorstellungsbesuch der SPD-Kandidatin, denn man sei auf Horst Köhler festgelegt. Gesine Schwan kann sich das nur mit Angst und Unsicherheit erklären. Sie glaubt, dass auch Abgeordnete der Union ihr am 23. Mai 2009 in der Bundesversammlung die Stimme geben wollen.

Wolfgang Schäuble kennt sie seit fast 40 Jahren. Ihr verstorbener erster Mann, Alexander Schwan, wechselte einst von der SPD zur CDU und brachte viele Parteifreunde mit ins Haus. Sie kann gut mit Christdemokraten. Auf die Frage, wer unter den bisherigen Bundespräsidenten ihr Vorbild sei, kommt sofort: Richard von Weizsäcker. Etwas verwundert ist sie, dass sie von CDU und CSU in die linke Schublade gesteckt wird. Sie sei katholisch, ordentlich verheiratet noch dazu, und gehe in die Kirche, sagt sie lachend. Und war sie als Professorin an der Freien Universität Berlin nicht glühende Antikommunistin? "Bin ich immer noch!"

Gesine Schwan findet, dass alle Strömungen ihre Berechtigung haben. Sie sieht das funktional, im Sinne einer beständigen Korrektur der Gesellschaft. Deshalb solle keine Partei zu lange regieren. Wenn man mal die Systemfrage abziehe, dann gebe es eine erfreuliche Übereinstimmung in der Politik. Und da sei es ganz gut, "wenn jeder Mal den Akzent setzen kann". Auch die Linkspartei? Der Hauptvorwurf der Union lautet, sie baue auf deren Stimmen und bereite eine rot-rote Koalition im Bund vor. Gesine Schwan findet das überhaupt nicht. Wenn die Linken sie wählten, womit sie spätestens im dritten Wahlgang rechnet, dann nicht, weil sie sich bei denen anbiedere. "Sondern umgekehrt, weil ich die überzeugt habe, so wie ich bin und denke." Sie kenne viele junge Linke aus ihrer Zeit als Hochschulpräsidentin. Die seien nicht mehr wie ihre Väter.

Sechs große Vorträge will Gesine Schwan ab Oktober in sechs Städten halten, jeden Monat einen. Darin geht es um Begriffe wie Ermutigung und Engagement. Die Politik-Professorin möchte eine Demokratie, in der die Bürger mit Lust mitreden, sie möchte eine Politisierung der Gesellschaft.

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