Auf einmal lieben alle Opel

Die Krise beim deutschen Autobauer Opel hat die Politiker in Berlin auf den Plan gerufen. Alle bekunden, helfen zu wollen. Doch vor konkreten Absprachen gibt es noch viele offene Fragen.

Berlin. Das alles wirkte gestern wie ein Wettlauf der Wahlkämpfer: Erst öffnete Angela Merkel (CDU) die Türen des Kanzleramtes, dann machte am Abend Außenminister und SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier die Pforten seines Außenministeriums auf. So viel Gehör haben "Opelianer" wohl noch nie in der Politik gefunden. Es geht ja auch um viel, für die Autobauer wie für die Politiker.

Auf einmal lieben alle Opel: "Persönlich habe ich mit großer Freude über Jahre Opel Kadett gefahren", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Und Torsten Albig, Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), bekannte während der Regierungspressekonferenz: "Ich fahre meinen Opel seit Jahren mit großer Zufriedenheit." Für Angela Merkel gilt das nicht - ihr Dienstwagen ist ein Audi. Aber zusammen mit Finanzminister Steinbrück und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) war sie die erste, die gestern Management und Betriebsrat des Unternehmens traf, um sich über die Lage des Autobauers informieren zu lassen. Anschließend betonte Merkel, dass bis Weihnachten alle Vorbereitungen und Details besprochen würden, um dann zu entscheiden, ob eine milliardenschwere Bürgschaft für den Autobauer notwendig sei.

Carl-Peter Forster, Europachef der Konzernmutter General Motors (GM), stellte nach dem Treffen klar: "Wir reden hier nicht über Subventionen." Sondern es gehe um einen "Sicherheitsschirm" für mögliche Liquiditätsprobleme. "Eine Vorsorge für den absoluten, kritischen Fall", so Forster.

In den nächsten Tagen und Wochen wird also intensiv verhandelt werden. Opel will eine milliardenschwere Staatsbürgschaft. Befürchtet wird, dass deutsche Steuergelder am Ende vom schwer angeschlagenen US-Mutterkonzern General Motors beansprucht werden. Es werde "Vehikel" geben, dies zu verhindern, betonte Forster. Doch welche werden das sein? Wie können überdies die Arbeitsplätze bei Opel erhalten bleiben? Was sagt außerdem die EU-Kommission zu einer Bürgschaft? Und wo wird letztendlich die Grenze zu anderen Autobauern und dem Rest der Wirtschaft gezogen? Fragen, die noch beantwortet werden müssen. "Meine Befürchtung ist, dass immer mehr Firmen, die Überkapazitäten haben, einen staatlichen Rettungsschirm suchen", warnte Wirtschaftsminister Glos. Laut Minister Steinbrück ist ein generelles Konjunkturprogramm für die Autoindustrie nicht sinnvoll. Schließlich könne der Staat nicht die Kaufkraft der Bürger ersetzen, und er sei "auch nicht für die Fehler der Industrie verantwortlich".

Heute setzt sich das Opel-Krisenmanagement fort: Im Finanzministerium werden die Finanz-Staatssekretäre der vier Opel-Länder zum Gespräch erwartet. Während die Bundesregierung auf die Bremse tritt, wollen die betroffenen Bundesländer Gas geben - zugunsten der angeschlagene Autoindustrie.

Meinung

Zwischen zwei Übeln

Nach der staatlichen Milliarden-Abfederung des Bankencrashs war es nur eine Frage der Zeit, bis eine weitere Branche auf den Plan treten würde, um sich mit Steuergeldern über Wasser zu halten. Sicher, auch beim Traditionsautobauer Opel muss die geforderte Milliardenbürgschaft nicht unbedingt fällig werden. Wenn das US-Mutterhaus General Motors allerdings vor der Pleite steht, dann droht auch Opel das Aus. In dieser Situation bleibt der Politik nur die Wahl zwischen zwei Übeln. Entweder der Staat hilft Opel und nimmt dabei in Kauf, dass demnächst vielleicht auch Volkwagen oder Ford am Kanzleramt vorfahren. Oder er hält sich heraus und riskiert eine Kettenreaktion bei den Zulieferbetrieben, die mit einem massiven Anstieg der Arbeitslosenzahlen verbunden wäre. So verwundert es nicht, dass der "Auto-Gipfel" gestern bei Angela Merkel noch keine substanziellen Beschlüsse brachte. Als die deutsche Textilindustrie in die Knie ging, hat der Staat auch keinen Sicherheitsschirm aufgespannt. Als er es später beim angeschlagenen Baukonzern Holzmann tat, ging das Unternehmen trotzdem Pleite, und die Steuermillionen waren futsch. Angela Merkel ist wirklich nicht zu beneiden. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort