Auf einmal versteht er sie wieder

TRIER. Sind Frauen, die Job und Familie unter einen Hut bringen, glücklicher? Die Selbstverwirklichung der Frau muss nicht immer eine Belastung für die Ehe bedeuten. Es geht auch anders.

Die so genannten "Doppelbelasteten" sind in Wahrheit auch doppelt so glücklich und zufriedener. Das jedenfalls behauptet die amerikanische Psychologieprofessorin Faye J. Grosby: "Wenn Sie Ihren Job mögen, dann gründen Sie eine Familie. Wenn Sie Ihre Familie mögen, dann suchen Sie sich einen Job, der Ihnen Spaß macht. Und wenn Sie Wert darauf legen, sich selbst zu mögen, dann versuchen Sie in ihrem Leben beides zu bekommen - Familie und Job." Gerda und Heinz haben sich auseinander gelebt. Endlich haben sie den Weg in die Familienberatung gefunden. Die ersten Sitzungen waren für ihn eine Qual. Er sah nicht ein, warum er über sich und die Eheprobleme reden sollte. Langsam erkennt er jedoch, dass die Beratung helfen kann, ihre Beziehung zu retten. Er erfährt, warum seine Frau unzufrieden ist: Die ersten Ehejahre wurden für Gerda zum Schlüsselerlebnis. Sie erzählt von ihren Schwierigkeiten, wie sie Ehe, Haushalt und die Kinderbetreuung erlebte. Erst als ihr Energiepegel auf null gesunken war, wusste sie, dass sie sich selbst vergessen hatte. "Ich hatte das schon einmal durchgestanden, als die Kinder noch ganz klein waren. Nacht für Nacht wanderte ich Monate lang abwechselnd mit den Zwillingen durch die Wohnung. Manchmal hatte ich sogar beide auf dem Arm, wenn sie im Duett brüllten. Heinz war in dieser Zeit oft auf Geschäftsreise. Tagsüber war das nicht besser. Ich war also so ziemlich auf mich alleine gestellt. Manchmal, da gab es Augenblicke, wo ich das überhaupt nicht mehr lustig mit den Kindern fand. Als die Eifersuchtsattacken der großen Tochter noch hinzu kamen, spürte ich, dass mich meine Energie verlässt. Ich war total müde. Ich wollte nur noch schlafen. Irgendwann registrierte ich, dass dies kein Ausnahmezustand mehr war, sondern ein Dauerzustand. Da ich nur wenig Unterstützung bei Heinz fand, der zur Hauptsache seine Karriere im Kopf hatte, wandte ich mich an eine Elterngruppe. Was ich fand, war paradoxerweise eine Aufgabe. Ich fand aber auch andere Frauen - und da war übrigens kein einziger Mann weit und breit - die mich unterstützten, und die ich wiederum unterstützte. Ich traf mich regelgemäß in den Gruppen, half Vereinstreffen zu organisieren und schulte Jugendliche - Mädchen und Jungen - im Babysitting. Zeitweise nahmen wir Frauen uns gegenseitig die Kinder ab. Irgendwie fand ich eine Art Balance, ein zufrieden stellendes Gleichgewicht, zwischen meiner Familie und der Arbeit im Elternforum." "Was du alles tust für andere, das verstehe ich nicht" hatte Heinz oft gesagt. "Ich glaube, er war manchmal sogar ein wenig eifersüchtig. Aber ich war trotz der vielen Einsätze im Forum, wo ich mit der Zeit auch viel Verantwortung tragen musste, glücklicher als zuvor. Ich weiß heute, dass ich nur ein erfülltes und glückliches Privatleben habe, wenn ich auch noch andere, mir wichtige Aufgaben außerhalb der Familie wahrnehmen kann. Das Forum war damals mein Beruf. Die Leistung, die ich dort erbrachte, und die Anerkennung, die ich dafür bekam, kamen direkt meiner Familie zugute. Dadurch war ich wieder in der Lage, mein Familienleben zu genießen. Das hatte ich kapiert." Heinz verstand auf einmal seine Frau viel besser. Statt es als persönliche Kränkung anzusehen, dass seine Frau einen Schritt nach "draußen" macht und ihr Studium wieder aufnehmen möchte, wollte er seinen Teil dazu beitragen, sie zu unterstützen. Plötzlich begannen Heinz und Gerda über Möglichkeiten nachzudenken, die Betreuung der Kinder, den Haushalt und die Arbeit in Zukunft neu zu gestalten. Weitere Gespräche fanden zu Hause am Familientisch statt, zu denen auch die drei Kinder im Alter von zehn, zwölf und 15 Jahren herangezogen wurden. Heute studiert Gerda im vierten Semester Architektur. Ihr Mann und ihre Kinder sind stolz auf sie. Maria Graf stammt aus Ollmuth (Kreis Trier-Saarburg). Sie ist in der Erwachsenenbildung tätig und führt zudem eine eigene psychologische Beratungspraxis in Schaffhausen in der Schweiz. Mailen Sie uns Ihre Meinung zum Thema: familie@volksfreund.de (Ihre Mail kann nur veröffentlicht werden, wenn uns Name und Anschrift vorliegen).

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