Auf zum Salatfalten!

TRIER. Gute Manieren sind gefragt. Nicht nur bei den Großeltern, sondern auch unter jungen Leuten. Mehrere Trierer Schulklassen haben in den vergangenen Wochen ein Seminar über korrektes Benehmen bei Tisch besucht. Der TV war dabei.

Ups, schon wieder ein Fehler! "Salatblätter schneidet man nicht, man faltet sie mit Messer und Gabel", sagt Lino Ley. Das hören die meisten der rund 25 jungen Leute, die an diesem Tag in Schlips und Kragen an festlich gedeckten Tischen im Trierer Hotel "Blesius Garten" sitzen, zum ersten Mal. Wie so manches, das die Trierer Gastronomin Ley und ihr Kollege Jürgen Jakobs ihnen erklären. "À la carte - Korrektes Verhalten bei Tisch": Das ist der offizielle Titel der etwas anderen Unterrichtsstunde, zu der die Schülerinnen und Schüler der Kaufmännischen Privatschule Eberhard zusammengekommen sind. Freiwillig. "Wir haben im Unterricht über Essen mit Kunden gesprochen", erzählt Schulleiter Stefan Eberhard. "Es wurden Unsicherheiten deutlich. Auf meine Frage, wer gerne mehr darüber lernen würde, schnellten alle Finger in die Höhe." Der Pädagoge staunte, sprach andere Klassen auf das Thema an - und stieß fast ausschließlich auf Begeisterung.Symptom eines Wandels

Das Interesse an dem Benimm-Kurs ist für Eberhard Symptom eines Wandels, den er in den vergangenen Jahren bei seinen Schülern beobachtet hat: "Die jungen Leute sind leistungsorientierter und achten stärker auf Formen. Vor zehn Jahren wäre mir die Idee eines Benimm-Seminars wohl gar nicht gekommen." Der Kurs, an dem in den vergangenen Wochen mehrere Klassen der Eberhard-Schule teilgenommen haben, ist kein Einzelfall: Stil- und Etikette-Lehrgänge haben Konjunktur. Die Hochwald-Touristik bot im Februar sogar ein "Kinder-Knigge-Seminar" an. Interesse und Neugier - diese Begriffe nennen die Trierer Schüler auf die Frage nach ihrer Motivation immer wieder. Die Eltern freuten sich über die Wertschätzung guter Manieren, sagen alle, und Anne Holzem berichtet: "Meine Freunde haben geschmunzelt, als ich ihnen von diesem Seminar erzählte, fanden es aber gut." Ley und Jakobs erklären derweil, dass Weingläser am Stil angefasst werden, die Serviette auf den Schoß gehört, Handys auf dem Tisch ebenso tabu sind wie Ellbogen, dass man Kartoffeln nicht schneidet und den Brotteller links stehen lässt, statt ihn vor sich zu rücken. Aufmerksam hören die jungen Leute zu - und amüsieren sich über ihre Fehler: "Wir hätten fast alles anders gemacht!" Natürlich kenne man die Grundbegriffe, sagt Marc Simon. "Aber das hier ist der Feinschliff." Er habe bei der Auswahl von Ort und Dozenten Wert darauf gelegt, dass das Seminar nicht steif wird, sagt Schulleiter Eberhard. Denn darum gehe es bei der neuen Lust an guten Manieren gerade nicht. "Das Abweisen jeder Form kam mit der Hippie-Kultur auf, weil es vorher zu steif zuging. Jetzt kehrt man zu dem zurück, was angemessen korrekt ist."Der Kampf mit Knochen und Gräten

Zur Auswahl für das viergängige Menü standen ausschließlich "gemeine" Dinge wie Spanferkel, Ente und Scholle. Die jungen Leute kämpfen mit Knochen oder Gräten und achten gleichzeitig darauf, das Besteck ordnungsgemäß mit Zinken beziehungsweise Klinge zur Mitte auf dem Tellerrand abzulegen, sich vor dem Trinken den Mund abzuwischen - und die Salatblätter zu falten statt zu schneiden. "Sehr anstrengend", stöhnt Sabrina Maehs, und Yvonne Disch fügt hinzu: "Das ist nichts, wenn man Hunger hat!" Ganz normal für den Anfang, meinen Lino Ley und Jürgen Jakobs. Auch stilvolles Essen will geübt werden. Jakobs zitiert einen seiner Ausbilder: "Esst zu Hause wie beim Kaiser, dann könnt ihr beim Kaiser essen wie zu Hause!" Werden die jungen Leute das, was sie gerade gelernt haben, wirklich im Alltag trainieren? Fast alle nicken zustimmend, als Anne Holzem ankündigt: "Ich probiere das!" Dann lacht sie. "Aber Papa sagt dann wahrscheinlich: Anne, lass mal!"

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