Aufklärung und Geheimhaltung

BERLIN. Manche möchten einen Deckel darauf machen, anderen ist daran gelegen, dass sie weitergeht: die Debatte über die Rolle des Bundesnachrichtendiensts (BND) in Irak. Zumindest gestern ging sie in Berlin weiter.

Politische Nostalgiker kamen gestern voll auf ihre Kosten. In der letzten Bankreihe des Bundestages saßen Otto Schily (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) einträchtig nebeneinander, um ein Schauspiel zu verfolgen, das auch sonst gelegentlich an der Existenz einer großen Koalition zweifeln ließ. Mal waren Sozialdemokraten und Ökos im Applaus vereint, dann wieder Union und Liberale. Aber auch die Linkspartei bildete mit der FDP zuweilen eine Klatsch-Kulisse. Was taten die "Schlapphüte" im Irak?

Das ungewöhnliche Treiben resultierte aus dem Streit über deutsche Geheimdienstaktivitäten im Anti-Terror-Kampf, der das Berliner Regierungsviertel zunehmend in seinen Bann zieht. Bis vor wenigen Tagen war die Gefechtslage noch übersichtlich. Einmütig hatten sich die drei Oppositionsparteien auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verständigt, um einer Operation der "Schlapphüte" im Irak-Krieg auf die Schliche zu kommen. Immerhin steht der schwere Vorwurf im Raum, dass der BND vor drei Jahren für die Amerikaner Angriffsziele in Bagdad ausgespäht haben soll. Das hat Auswirkungen: Die Grünen wollen ihr Friedens-Image aus Regierungszeiten nicht in den Schmutz ziehen lassen, die FDP wiederum hat genau das im Kalkül. Und die Linkspartei ist für den Aussschuss, weil sie gegen alles ist, was unter Geheimdienst firmiert. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Regierung inzwischen sämtliche Hebel in Bewegung setzt, um dem Spagat zwischen Aufklärung und notwendiger Geheimhaltung Genüge zu tun. So wächst die Spannung, ob der Untersuchungsausschuss wirklich zustande kommt. Denn nur mit den Stimmen der drei Oppositionsparteien wäre das erforderliche Quorum erreicht. Die Debatte im Plenum brachte dazu keine Klarheit. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hielt den Liberalen vor, dass man sich ebenso gut "auf der Wiese zum Raufen wieder finden" könne, wenn die FDP an ihren fundamentalen Zweifeln gegenüber der rot-grünen Irak-Politik festhalte. Eine "Geschichtsklitterung" werde man nicht mitmachen. Dagegen sprach FDP-Chef Guido Westerwelle von einer "Verkettung von Vorfällen", die den Eindruck erwecke, da sei "eine rote Linie" überschritten worden. Neben den BND-Aktivitäten in Bagdad geht es auch um früher aufgetauchte Hinweise auf eine Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled El-Masri durch die CIA sowie Befragungen mutmaßlicher Folteropfer in Syrien und Guantanamo durch deutsche Geheimdienstmitarbeiter. Die Regierung bezieht sich dagegen ausschließlich auf den Fall in Bagdad vor drei Jahren, um die Opposition von ihrem Ausschuss-Vorhaben abzubringen. Angeblich sollten damals zwei BND-Mitarbeiter die Koordinaten zur Bombardierung eines Restaurants weitergegeben haben, in dem der irakische Diktator Saddam Hussein vermutet wurde. Dabei kamen mindestens zwölf Menschen ums Leben. Saddam war nicht darunter. "Glaubwürdigkeit nicht gleich Wahrheit"

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) durfte die beiden Geheimen am Mittwoch ausführlich befragen. Am Ende konnten die Zeugen den Vorwurf nach einhelliger Auffassung der Anwesenden glaubhaft zerstreuen. Doch zumindest FDP und Linkspartei stehen auf dem Standpunkt, dass Glaubwürdigkeit nicht automatisch Wahrheit bedeuten muss, weshalb weiter Untersuchungen notwendig seien. Für Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist die Sache dagegen abgehakt. Er sprach von der Inszenierung eines politischen Skandals, der zu ernsten Folgeschäden führen könne. Schon am Montag werden sich die drei Oppositionsparteien erklären müssen. Auf Einladung von Union-Fraktionschef Volker Kauder soll über das weitere Vorgehen beraten werden. Der Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Fritz Kuhn, machte klar, der Ausschuss werde nicht stattfinden, wenn die FDP auf einem ideologisch gefärbten Untersuchungsauftrag gegen Rot-Grün besteht. "Aber ich denke, die kommen davon noch runter."

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