Auflösungserscheinungen und zitternde Genossen

Für die Sozialdemokraten endete die Bundestagswahl in einem Desaster mit durchweg zweistelligen Verlusten: minus 11,2 Prozentpunkte im Bund, minus 10,8 auf Landesebene. Auch in der Region Trier ging's für die Genossen steil bergab. Um ein Haar wäre auch das einzige SPD-Bundestagsmandat futsch gewesen.

Trier. Als sich Manfred Nink in der Wahl-Nacht gegen Mitternacht ins Bett legte, da hielt der SPD-Landtagsabgeordnete den beabsichtigten Wechsel nach Berlin für gescheitert. "Ich dachte, das war's, die Sache hat sich erledigt", sagt der 59-Jährige am Morgen danach. Nink trat im Wahlkreis Trier als Nachfolger des scheidenden SPD-Finanzstaatssekretärs Karl Diller an. Dass der Kenner das Direktmandat gegen CDU-Platzhirsch Bernhard Kaster nicht gewinnen würde, war klar. Aber Ninks Platzierung auf der Landesliste (Platz sieben) galt als eine Art Freifahrt-Schein nach Berlin. Bis am Sonntagabend die ersten Zahlen veröffentlicht wurden. Da begann für Nink das große Zittern. Die frohe Botschaft des Landeswahlleiters kam erst, als bundesweit alle Stimmen ausgezählt waren (siehe Hintergrund). Da lag Manfred Nink allerdings schon im Bett. So erfuhr der 59-Jährige erst gestern Morgen, dass ihm der Sprung nach Berlin doch geglückt ist.

Andernfalls wäre das Debakel für die Genossen perfekt gewesen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hätte die regionale SPD keinen Abgeordneten mehr in den Bundestag entsandt. Kaum vorstellbar. Schließlich waren Ninks Vorgänger Karl Diller und Karl Haehser keine Hinterbänkler, sondern als Finanz-Staatssekretäre Männer an den Schalthebeln der Macht. Große Fußstapfen für Manfred Nink. Er hat seine erste Legislaturperiode vor sich. "Ich glaube nicht, dass es mehr werden", sagt SPD-Grand seigneur Haehser (81).

Die für die SPD im Wahlkreis Bitburg antretende Elke Leonhard hat indes schon vier Legislaturperioden hinter sich - und damit auch ihre politische Zukunft. Das geplante Comeback scheiterte; gegen ihren 41-jährigen CDU-Konkurrenten Patrick Schnieder sah Leonhard (60) alt aus. Immerhin lag sie mit ihrem Erst-Stimmen-Ergebnis noch fünf Prozentpunkte über den SPD-Zweit-Stimmen im Wahlkreis. Mit 19,1 Prozent sind die Genossen dort jetzt exakt auf FDP-Niveau. "Ich kandidiere nicht mehr", verspricht Leonhard.

Am Tag nach dem Desaster war gestern viel die Rede davon, dass sich die SPD jetzt dringend inhaltlich und personell erneuern müsse. Das meint auch Marcus Heintel (33), der sich im Wahlkreis Mosel/Rhein-Hunsrück gegen CDU-Mann Peter Bleser ebenfalls erneut eine saftige Niederlage einhandelte.

Manfred Nink war derweil schon auf Tour. Erst ging's nach Mainz, dann in die Hauptstadt. Dort nimmt der Sozialdemokrat heute an seiner ersten Fraktionssitzung als künftiger SPD-Bundestagsabgeordneter teil. Hintergrund Einzug in den Bundestag via Landeslisten: Die endgültige Sitzverteilung im Bundestag und damit die Frage, welche Kandidaten den Einzug über die Landeslisten ihrer Parteien geschafft haben, hat nach Auskunft von Landeswahlleiter Jörg Berres erst gegen 4 Uhr in der Nacht zu Montag festgestanden. Grund: Maßgeblich für die Umrechnung von Wählerstimmen in Abgeordnetenmandate nach dem komplizierten Divisor-Verfahren (auch Sainte-Laguë-/Schepers-Verfahren) war das Ergebnis der Zweitstimmen in allen Bundesländern. Da es in Brandenburg und Schleswig-Holstein zeitgleich Landtagswahlen gab, war der letzte Wahlkreis zur Bundestagswahl erst um 2.15 Uhr ausgezählt.(fcg)

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