Aushalten bis zum Sieg?

WASHINGTON. In der kommenden Woche will die so genannte Iraq Study Group (Irak-Studiengruppe) in Washington Vorschläge präsentieren, wie die Sicherheitslage im Irak verbessert und ein Rückzug der US-Truppen in die Wege geleitet werden kann.

In den vergangenen Tagen sickerten bereits mehrfach Ideen dieses mit Republikanern und Demokraten gleichermaßen besetzten Gremiums durch, dem auch der frühere US-Außenminister James Baker angehört. Eine diplomatische Initiative gegenüber den Nachbarstaaten Iran und Syrien könnte ebenfalls zum Empfehlungs-Paket gehören wie ein schrittweiser Rückzug und die Übertragung der Sicherheits-Verantwortung an die irakische Armee und Polizei. Doch ob das Weiße Haus letztendlich einen dieser Vorschläge akzeptiert, steht weiter in den Sternen - zumal eine Vielzahl von Überlegungen weiter in der Diskussion sind und Gespräche mit Teheran und Damaskus von Hardlinern wie Vizepräsident Dick Cheney bisher strikt abgelehnt wurden. Wie geht es also weiter im Irak? Nachfolgend die wichtigsten Ideen - und die Argumente, die für und gegen sie sprechen: Truppenverstärkungen und ein Aushalten "bis zum Sieg". Für diese Variante plädiert vor allem der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat und Vietnam-Veteran John McCain, der sich zehntausende frische Soldaten in den Irak wünscht. Eine Reduzierung soll erst dann erfolgen, wenn der "Sieg" (wie es Präsident Bush definiert) klar absehbar ist: Zu einem Zeitpunkt, da es so gut wie keine ethnisch motivierten Bluttaten mehr gibt und die Iraker selbst in der Lage sind, effektiv für Recht und Ordnung zu sorgen. Vorteile einer solchen Aufplusterungs-Strategie: eine kurzfristige Stabilisierung der Lage. Doch die Nachteile scheinen zu überwiegen: Es gibt kaum noch amerikanische Truppenteile, die durch die Kriege im Irak und Afghanistan nicht über Gebühr belastet sind. Auch würden mehr Soldaten die Wahrscheinlichkeit von noch mehr Verlusten erhöhen. Ein schneller Abzug aller Truppen, spätestens bis Ende des Jahres 2007. Befürworter einer solchen Lösung finden sich vor allem in den Reihen der US-Demokraten, die seit dem Zugewinn bei den Kongresswahlen vorigen Monat Rückenwind verspüren. Viele Gegner einer überstürzten Flucht

Zu ihnen zählen die Senatoren John Kerry und Barack Obama, die beide für einen Rückruf-Beginn innerhalb der nächsten sechs Monate plädieren. Ihr Argument: Die Anwesenheit der Truppen im Irak stachelt die Aufständischen erst richtig an. Doch im Weißen Haus überwiegen die Skeptiker, die in einem solchen Schritt ein "cut and run" - also eine überstürzte Flucht - sehen. Sie rechnen dann mit einer Ausweitung des Bürgerkriegs auf bisher noch als ruhig geltende Regionen. Ein weiteres Problem: Nach Einschätzung des US-Oberkommandos wird es mindestens ein weiteres Jahr dauern, bis die ersten irakischen Einheiten in der Lage sind, völlig unabhängig von den US-Beratern und Truppen zu operieren. Ein stufenweiser Rückzug - eng gekoppelt an die Fortschritte der irakischen Sicherheitskräfte. Dies ist die Variante, die aller Voraussicht nach den größten Beifall in Washington finden wird und als mögliche "Leitlinie" der Irak-Studiengruppe gilt. Denn den kriegsmüden US-Bürgern würden erstmals deutliche Heimkehrer-Kontingente präsentiert werden. Doch auch hier finden sich Schwächen: Da die Fortschritte der Iraker bei der Eigensicherung des Landes als bescheiden eingestuft werden, könnten auf Jahre noch zehntausende von US-Soldaten vor Ort als Ausbilder und "Feuerwehr" erforderlich sein. Der irakische Premierminister Nuri Al-Maliki verkündete am Donnerstagabend, seine Truppen wären schon im Juni 2007 zu einer Übernahme der Sicherheitsaufgaben in der Lage - eine Einschätzung, die in US-Militärkreisen jedoch mit Skepsis gesehen wird. Die offizielle Position von US-Präsident Bush zu allen Varianten lautet derzeit: Er habe über die künftige Truppenstärke im Irak noch nicht entschieden. Doch auch gestern gab es erneut eine schon wohlbekannte wie in den Details vage Durchhalte-Parole aus dem Munde des Texaners: Man werde so lange im Irak bleiben, "bis der Job erfüllt ist". Mit der Vorlage des Berichts der Studiengruppe wird Bush jedoch, das prophezeien Kenner der Szene, endlich Farbe bekennen und in seinen Vorstellungen wesentlich konkreter werden müssen.

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