Ausmisten beim Amtsschimmel

BERLIN. Wie kann die deutsche Wirtschaft angekurbelt werden? Über Wege zu diesem Ziel wird kräftig gestritten. Die CDU hat gestern eine weitere Idee in den Ring geworfen: Mehr Wachstum durch weniger Bürokratie.

Wochenlanges Warten auf die Bau-Genehmigung? Kompetenz-Chaos in den Behörden? Damit soll Schluss sein, wenn die Union im Bund nach der Wahl 2006 wieder Regierungsverantwortung übernehmen sollte. Wie das Kunststück gelingen könnte, die Gesetzes- und Verordnungsflut in Deutschland einzudämmen, steht in dem Papier "Mehr Wachstum durch modernes Regieren und Verwalten", das am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Autor ist Saar-Ministerpräsident Peter Müller, der sein Konzept im Beisein von CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer vor der Presse erläuterte. Müller ist auch deshalb von der CDU-Spitze mit der Ausarbeitung der Vorschläge betraut worden, weil er bereits über entsprechende Erfahrung verfügt: Im Saarland sind in den vergangenen Jahren zwei Drittel aller Verwaltungsvorschriften gekappt worden (von ursprünglich 3800). Mit erfreulichen Folgen: Das kleinste Flächenland weist überdurchschnittliche Wachstumsraten auf. Müllers Ansatz ist simpel: Sämtliche Rechtsnormen in Deutschland werden grundsätzlich in Frage gestellt. Es muss nicht mehr begründet werden, warum Gesetze oder Verordnungen abgeschafft werden sollen, sondern, warum sie weiterhin bestehen sollen. Nur wenn der "zweifelsfreie Nachweis der Notwendigkeit" erbracht sei, werde der Fortbestand gesichert. Neben der Umkehr der Beweislast solle auch der Erlass neuer Gesetze grundsätzlich zeitlich befristet sein, sagte Müller.Ziel: Halbierung der Rechtsnormen

Nach dem gleichen Prinzip soll die Entbürokratisierung in den Verwaltungen erfolgen: Für Genehmigungsverfahren wie Bauanträge dürfe nicht mehr das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gelten, sondern umgekehrt die Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Praktisch könnte das so aussehen, dass etwa für die Genehmigung eines Antrags eine "Höchstfrist" festgesetzt wird, nach deren Ablauf die Genehmigung als erteilt gilt. Müller nannte dies "den entscheidenden Ansatz zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren in Deutschland". Ziel müsse es sein, Unternehmensgründungen binnen einer Woche abzuwickeln, und nicht - wie derzeit im Schnitt - in 45 Tagen. Als weitere Reformpunkte plant der Ministerpräsident: Eine stärkere Privatisierung (Übertragung öffentlicher Aufgaben an Private, etwa beim Vermessungswesen). Die Reform des Föderalismus (Wegfall der Rahmengesetzgebung des Bundes und eigenständigere Gesetzgebung der Länder). Eine durchgreifende Modernisierung der Verwaltung (elektronische Verwaltungsabläufe, Änderung des Beamtenrechts mit Aufgabe des Laufbahngruppen-Prinzips). Müller zeigte sich optimistisch, mit seinem Konzept das Ziel einer Halbierung der Zahl der Rechtsnormen erreichen zu können. Die Offensive für Entbürokratisierung, die die Union bei einem Wahlsieg starten wolle, könne dabei helfen, die "eklatante Wachstumsschwäche" im Land zu überwinden.

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