Ballern, bis das Blut spritzt

BERLIN. Nach dem Amoklauf vom Emsdetten will die Politik jetzt ein Verbot von "Killerspielen" umsetzen – und richtet ihre Blicke auch auf die Selbstkontrolle.

Den Stein der Weisen sucht man wohl vergeblich. Ist es harmlos, wenn Kinder und Jugendliche am Computer auf virtuelle Menschen ballern, wenn sie "Killerspiele" spielen, in denen das Blut in Strömen fließt? Oder macht das alltägliche Töten am PC Heranwachsende selbst zum Täter? Für Robert Steinhäuser, der 2002 im Erfurter Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen und sich selbst tötete, und für Sebastian B., der jetzt in Emsdetten zum Amokläufer wurde, gehörten Gewaltspiele wie "Counterstrike" zur eigenen Realität. Die Politik glaubt deshalb zu wissen, wie sich solche Taten verhindern lassen: Durch ein Verbot von "Killerspielen". Edmund Stoiber, der bayerische Ministerpräsident, ist dafür. Stoiber kündigte gestern eine erneute Bundesratsinitiative an; eine Arbeitsgruppe der Länder bastelt bereits seit einigen Monaten daran. Unions-Innenexperte Wolfgang Bosbach springt ihm zur Seite und will gemäß Koalitionsvertrag "endlich handeln". Und auch SPD-Fachmann Dieter Wiefelspütz ist offen für ein Verbot. Es dürfte also kommen. Für und Wider eines Verbots

Die vielen Expertisen und Studien, die es zu diesem Thema inzwischen gibt, zeigen jedoch eines: Ganz so einfach, wie es die Politik suggeriert, ist es nicht. Zu den Wirkungen von Computerspielen auf Jugendliche gibt es nicht die eine, reine Lehre. Die Gegner eines Verbots, darunter vor allem Medienwissenschaftler und die Computer-Lobby, führen ins Feld, es sei wissenschaftlich nicht nachweisbar, dass Heranwachsende mit Killerspielen reale Gewalt übten. Manch einer argumentiert sogar, Computerspiele seien generell förderlich für die Schnelligkeit des Denkens oder Reagierens. Sie verweisen zudem auf die Rolle der Eltern. Fakt ist: Kinder und Jugendliche sind von PC-Spielen fasziniert. 1000 neue "Games" kommen jedes Jahr auf den Markt, die "Ego-Shooter" haben einen beträchtlichen Anteil und führen meist schnell die Hitlisten an. Sie sind deshalb so beliebt, weil sie von allen Computerspielen das banalste Prinzip innehaben, sagen Kenner - blutiges Ballern, bis nichts mehr geht und steht. Die Grünen glauben daher, dass eine Debatte über die Förderung von Medienkompetenz viel wichtiger ist als eine Verbotsdiskussion. "Verbotenes ist für Jugendliche bekanntlich umso reizvoller", sagt der Grüne Volker Beck. Einigkeit besteht unter Fachleuten anscheinend darin, dass solche Spiele zur Abstumpfung führen können. Doch sorgen "Ego-Shooter" auch für den letzten Kick, für die Ausübung einer Tat? "Amoklauf entsteht aus Ohnmacht, dann möchte man der Allmächtige sein", verweist der Kriminologe Christian Pfeiffer auf eine ganze Kette von Ursachen. Er kritisiert vor allem eines: Die gegenwärtigen Alterseinstufungen gingen oft an der Brutalität der Spiele vorbei. Nach den geltenden gesetzlichen Vorschriften müssen Computerspiele mit einer Altersfreigabe gekennzeichnet sein. Zudem können sie je nach Inhalt indiziert werden. Zuständig dafür ist die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Erst vor Kurzem hat die Bundesregierung der USK auf eine Anfrage der FDP "eine hohe Qualität" attestiert. Doch es gibt bereits Forderungen, die Kontrolle nun in "rein staatliche Hand" zu legen - zusätzlich zum Verbot von "Killerspielen".

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