Barack Obamas Ziegenböckchen-Moment

Das Verhalten des amerikanischen Präsidenten Barack Obama angesichts des vereitelten Terroranschlags in den USA wirft Fragen auf. Und es erinnert ansatzweise an jenes von George W. Bush am 11. September 2001.

Washington. Als am 11. September 2001 islamische Terroristen den ersten Jet in das World Trade Center gesteuert hatten, stand der damalige US-Präsident George W. Bush vor einer Grundschulklasse in Florida. Sein Stabschef flüsterte ihm die Hiobsbotschaft zu, doch Bush blieb 20 Minuten lang sitzen und lauschte mit erstarrter Miene, als die Kinder aus dem Buch "Das Ziegenböckchen" vorlasen. Er habe die Schüler nicht beunruhigen wollen, verteidigte sich das Weiße Haus später gegenüber Kritikern, die Bush Unentschlossenheit und Verzögerung vorwarfen. Seitdem gilt das Verhalten Bushs in Washington als Ziegenböckchen-Augenblick.

Doch auch Barack Obama muss sich nun kritische Fragen gefallen lassen, was seine Reaktion auf den ersten fast gelungenen Terroranschlag in den USA seit Amtsantritt angeht. Nahmen er und seine Mitarbeiter die Bedrohung ernst genug? Oder durfte der Präsident bei seiner liebsten Freizeitbeschäftigung - dem Basketballspiel - zunächst nicht gestört werden? Denn erst zwei Stunden nachdem am Weihnachtstag der Northwest/Delta-Airbus in Detroit eine Notlandung gemacht hatte, informierten Berater den Hawaii-Urlauber von dem bedrohlichen Sprengstoff-Vorfall. Mit seinen Sicherheitsexperten zog sich Obama daraufhin noch nicht einmal 15 Minuten lang zu einer Beratung zurück, um sich dann wieder in die Sporthalle fahren zu lassen. Erst zu diesem Zeitpunkt gab es auch die Anweisung an andere Flugzeuge, besondere Vorsicht zu üben - weil theoretisch die Gefahr einer koordiniert arbeitenden Terrorgruppe bestand.

Fragwürdige Vorschriften teils wieder revidiert



Eine kurze Krisensitzung, die erklären dürfte, warum die überfordert wirkende US-Behörde TSA wohl ohne engere Absprache mit dem Weißen Haus eilends eine Fülle an neuen fragwürdigen Sicherheitsmaßnahmen erließ, die nach massiver Kritik von Reisenden und Airlines bereits teilweise wieder revidiert wurden.

Am Montagnachmittag fand dann Obama erstmals - nach drei Tagen des Abwartens - zwischen einem Tennisspiel mit seiner Frau und einer Golfrunde Zeit für eine persönliche Stellungnahme. "Ich werde jedes Element unserer Macht nutzen, um die Amerikaner sicher zu machen", so einer seiner Kernsätze. Und: "Es ist enorm wichtig, dass wir aus dem Vorfall Lehren ziehen." Daran konnte man ablesen, dass es Fehler gegeben hat, die Obama nun durch interne Untersuchungen aufdecken will. Parallel zur Obama-Rede ließ ein Sprecher des US-Außenministeriums durchblicken, was dem Terroristen in Amsterdam den Zugang zum Flugzeug ermöglichte: Das Antiterror-Zentrum stufte die Informationen des Vaters von Umar Abdulmutallab über eine zunehmende Radikalisierung seines Sohnes als "unzuverlässig" ein: Sie hätten für einen Visa-Entzug nicht ausgereicht. Abdulmutallab, der jetzt im Verhör vor weiteren bevorstehenden Attacken anderer Terroristen gewarnt haben soll, habe zudem über Geld verfügt und in der Vergangenheit die USA besucht.

Diese Erklärungsversuche deuten darauf hin, dass man in den USA möglicherweise auch als Folge des Versöhnungskurses Obamas mit der islamischen Welt politisch Rücksicht nehmen wollte. US-Justizminister Eric Holder hatte bei Amtsantritt verkündet, er werde alle Möglichkeiten ausnutzen, um Diskriminierungen gegenüber Moslems und anderen Minderheiten in den USA zu verfolgen. Eine Ankündigung, die die Verantwortlichen im Antiterror-Zentrum zum Nichtstun veranlasst haben könnte.

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