Bayern ja, Berlin nein

BERLIN. Landesvater, Bundeskanzler, Bundespräsident? Edmund Stoiber hat sich kurz vor dem Landtagswahlkampf zumindest schon einmal festgelegt, was er nicht werden will: Nachfolger von Johannes Rau.

Am kommenden Mittwoch startet der bayerische Ministerpräsident zu seiner Sommer-Tour durch den Freistaat, alle Regionen will der CSU-Vorsitzende besuchen, dabei Jung und Alt treffen, und für alle will er ein offenes Ohr haben. In einem Punkt hat er aber - angeblich - kein offenes Ohr, nämlich wenn es um das Thema Bundespräsident geht. Die Diskussion um seine mögliche Kandidatur für das höchste Staatsamt stört den ehrgeizigen Wahlkämpfer, und deshalb hat er jetzt Klartext geredet: "Das schließe ich definitiv aus", sagte Stoiber. Er wolle politisch gestalten, und nicht bloß repräsentieren. Außerdem müsste er ja als Präsident auf den CSU-Vorsitz verzichten, den er doch "mit Leidenschaft" ausübe. Peter Gauweiler stützt dessen Argumentation: "Stoiber wollte und will nicht Bundespräsident werden, sondern Bundeskanzler. Nichts anderes. Gäbe er dieses Ziel auf, gäbe er sich selbst auf." Tatsächlich ist nicht erkennbar, dass sich der oberste Bayer aufgegeben hätte: Nach ein paar Monaten der schöpferischen Ruhe, in der er seine Niederlage gegen Kanzler Gerhard Schröder verarbeitet hat, mischt er wieder tüchtig mit. Ob Steuer- oder Gesundheitsreform, Stoiber ist an vorderster Front mit dabei. Er gibt Interviews am laufenden Band und telefoniert fleißig mit seiner CDU-Kollegin Angela Merkel. Das ist die Frau, die ihn gern zum Bundespräsidenten machen würde. Es ist nämlich so: Würde Stoiber Staatsoberhaupt, hätte Merkel bessere Chancen, Kanzlerkandidatin der Union zu werden. Weil sich die deutsche Gesellschaft aber nach Jahrzehnten der Männerherrschaft eine Frau in eines der höchsten Ämter wünscht, hätte Angela Merkel alle Trümpfe in der Hand - wenn Stoiber Präsident würde. Will er aber nicht. Gegenwärtig sei das kein Thema, er habe eh nur ein Ziel im Auge, und zwar die bayerische Landtagswahl am 21. September. Da strebe er ein Ergebnis an, das allen imponiert. Ein Ergebnis, das die Verhältnisse wieder zurecht rückt, vor allem in der Union, wo der Hesse Koch zunehmend kesser den Löffel schwingt - was Stoiber zu der Attacke verleitete, Koch solle doch "erst mal im eigenen Land Ordnung schaffen, bevor er große Forderungen an die Bundespolitik" stelle. Welche Ambitionen der 61-jährige CSU-Chef noch hat, wird sich vor der Landtagswahl nicht mehr heraus finden lassen. Nur eins ist klar: Auch wenn Stoiber kein Interesse am Schloss Bellevue haben sollte, er wird ein gewichtiges Wörtchen mitreden bei der hochpolitischen Frage, wen die Union ins Rennen um das höchste Amt im Staate schicken will.

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