Bayern wählt, und im Bund wird gebibbert

Was kursieren in Berlin nicht alles für Gerüchte, sollte die CSU in Bayern am Sonntag tatsächlich unter die ominösen 50 Prozent rutschen. Nie waren die Unionspolitiker vor einer Wahl so nervös wie dieses Mal.

Berlin. Das Chaos werde in München ausbrechen, heißt es, Parteichef Erwin Huber wäre sein Amt los, Ministerpräsident Beckstein vielleicht sogar auch. Der lauernde Horst Seehofer plane, eines davon oder beide Ämter zu übernehmen - und, und, und. Selbst über ein Comeback von Edmund Stoiber wird in der Hauptstadt geflüstert. Noch nie zuvor dürfte vor einer bayerischen Landtagswahl so viel getratscht, gespottet und spekuliert worden sein. Was immer jedenfalls auch passieren wird, es wird nicht ohne Folgen für den Bund bleiben.

Sozialdemokraten berichten: Bei der Koalitionsrunde am Dienstagmorgen zur Vorbereitung der Sitzungswoche hätten sie die Vertreter der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer und Hartmut Koschyk, noch nie so nervös erlebt. Als die Opposition am Donnerstag dann im Bundestag die Christsozialen bei der Pendlerpauschale und der grünen Gentechnik vorzuführen versuchte, lagen die Nerven hörbar blank - jede Menge aufgeregte Zwischenrufe von Unionsseite verzeichnet das Bundestagsprotokoll. Dass der Wahlkampf schlecht für die CSU läuft, ist bis nach Preußen durchgeschlagen: Auf diversen Empfängen erlebte man in dieser Woche die CSU-Abgeordneten resigniert wie nie. "Herrschaften, was interessiert die Leute eigentlich?", fragt sich sogar ein frustrierter Peter Ramsauer.

Das einst so Undenkbare wird daher auch inzwischen im politischen Berlin gedacht: Die CSU verliert ihre absolute Mehrheit. Der Nimbus der Unbesiegbaren wäre verloren, die Christsozialen würden in der Bundespolitik zur Regionalpartei schrumpfen. Schon fürchtet man in der Union die Folgen: In der Fraktion beispielsweise würde hitzig debattiert werden, warum die CSU-Leute anders als andere jede Menge Privilegien genießen. Im Konrad-Adenauer-Haus der CDU weiß man überdies: Die Ausgangsposition für die im nächsten Jahr anberaumten Europa- und Bundestagswahlen wäre miserabel: In Bayern muss die CSU schließlich mindestens 50 Prozent holen, damit die Union im Bund als Ganzes erfolgreich ist.

Kanzlerin Merkel sähe nach einem Huber/Beckstein-Debakel unruhigen Zeiten entgegen. Schnell wird beim bayerischen Wundenlecken nämlich die Frage aufgeworfen werden, welchen Beitrag Merkel und die Bundespolitik eigentlich am Niedergang gehabt haben. Es wird ungemütlich für die Kanzlerin werden, hat sie doch im Wahlkampf der CSU die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale hart verweigert. Und sollte die SPD in Bayern dazugewinnen, wird das Regieren in Berlin mit selbstbewussten Genossen noch schwieriger.

Vielleicht aber geschieht ja noch ein Wunder, und die CSU erreicht die "50 plus X". Dann dürfte in Berlin vor allem eines passieren: Merkel und die Union würden tief durchatmen.

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