Becks Kritiker knicken ein

Die SPD-Spitze hat gestern den Kurs von Parteichef Kurt Beck für eine vorsichtige Öffnung zur Partei Die Linke in Hessen gebilligt. Die hessische SPD hat freie Hand bei der Ministerpräsidentenwahl am 5. April.

Berlin. Eigentlich sollte es gestern im Berliner Willy-Brandt-Haus zu heißen Diskussionen über den Umgang mit der Linkspartei kommen. Doch der Hauptdarsteller des erwarteten Disputs meldete sich überraschend krank: Am Morgen war Kurt Beck noch kurz in der SPD-Zentrale aufgetaucht. Wegen einer akuten Grippe ließ er aber alle offiziellen Termine absagen. So fiel auch die traditionelle Übergabe eines Blumenstraußes ins Wasser, mit dem der SPD-Chef alle Spitzenkandidaten nach Landtagswahlen vor laufenden Kameras belobigt. Michael Naumann dürfte darüber nicht traurig gewesen sein. Denn für ein dankbares Lächeln hätte sich der oberste SPD-Wahlkämpfer in Hamburg garantiert verbiegen müssen. Bereits am Wahlsonntag meinte der Vorzeige-Hanseat auf die Frage, ob Becks Vorstoß, eine SPD-geführte Regierung in Hessen notfalls auch mit Hilfe der Linken zu installieren, den Hamburger Genossen geschadet habe: "Hilfreich war es sicher nicht". Wer nun allerdings glaubte, der Zorn über den Sinneswandel des Chefs würde sich auch in Präsidium und Vorstand entladen, sah sich gründlich getäuscht. Teilnehmern zufolge gab es zwar "unterschiedliche Auffassungen", doch am Ende stellten sich die rund 40 Spitzengenossen nahezu geschlossen hinter den abwesenden Vorsitzenden. Mochte Beck auch gesundheitlich angeschlagen sein: Machtpolitisch hatte er sein Haus schon am Wahlabend bestellt. In der Sache bleibt der Chef knallhart

In einer Schaltkonferenz mit den Landes- und Bezirksvorsitzenden räumte Beck zwar "Fehler" ein, wie der bayerische SPD-Chef Franz Maget bestätigte. Doch das bezog sich nur auf den Zeitpunkt seines Vorstoßes wenige Tage vor der Hamburg-Wahl. In der Sache blieb Beck knallhart. Bei einem mehr als zweistündigen Krisengespräch am Sonntagnachmittag schwor er den engsten Führungskreis auf seine Marschroute ein, wonach alle Landesverbände der SPD künftig über Koalitionen allein bestimmen sollten - und damit auch über ihr Verhältnis zur Linkspartei. Bislang galt diese Order nur für den Osten. Für den Westen hatte Beck noch bis vor kurzem jede Form des Paktierens mit den Linken ausgeschlossen. Durch die Neuorientierung bekommt auch SPD-Frontfrau Andrea Ypsilanti freie Hand, in Hessen notfalls unter Mithilfe der Linken die Macht zu erobern. In einer schriftlichen Erklärung, die schon beim sonntäglichen Krisentreffen formuliert und gestern vom Parteivorstand unverändert gebilligt wurde, ist diese Möglichkeit sogar ausdrücklich enthalten: Falls es dort zu keiner Koalition komme, "wird die SPD-Hessen entscheiden, ob und gegebenenfalls wann sich Andrea Ypsilanti im Landtag zur Wahl stellt". Noch in der vergangenen Woche hatten selbst engste Weggefährten Becks gegen einen solchen Kursschwenk gewettert. Man dürfe sich nicht "abhängig" von den Linken machen, schimpfte etwa Fraktionschef Peter Struck. Gestern referierte Struck öffentlich die neue Beschlusslage, als sei er schon immer dieser Meinung gewesen. Ähnlich verfuhr SPD-Vize Peer Steinbrück. Auch er hatte zunächst vor einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust für die SPD gewarnt. Im Präsidium hielt er gestern dem Vernehmen nach einen langen Vortrag, der Becks Linie stützte. Die erstaunliche Geschmeidigkeit hat Gründe. Offenbar will kein Spitzengenosse eine neue Führungsdiskussion riskieren. In der Zeit vor Beck hatte die SPD ihre Vorsitzenden gleich in Serie verschlissen. Und zum anderen sind die innerparteilichen Kritiker ohne strategische Alternative, wie die SPD sonst auf das Erstarken der Linken reagieren könnte.Nur einem Genossen ist das Ganze zu dumm

Bei diesen günstigen Umständen für Beck verstieg sich SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nach den Gremiensitzungen sogar zu der dreisten Bemerkung: "Wir haben eine klare Entscheidung getroffen, die unseren Kurs bekräftigt." Nur einem Genossen war diese Art der Volkverdummung öffentlich zuwider: "Ich halte von jeglicher Kooperation mit den Linken gar nichts", schimpfte der niedersächsische SPD-Landeschef Garrelt Duin. Es sei ein "großer Fehler", die Entscheidung darüber den Landesverbänden zu überlassen. "Unausgesprochen" sei der Widerstand gegen den neuen Kurs auch "sehr viel größer", befand Duin. Gestern war er allerdings der einzige, der gegen das Beschlusspapier stimmte.

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