Bei den Löhnen wäre mehr drin

Bei den laufenden Tarifverhandlungen sind gewinnabhängige Lohnzahlungen ein Topthema. In der Praxis sind nur die wenigsten Beschäftigten damit vertraut.

Berlin. Gerade einmal acht Prozent der Arbeitnehmer werden hier zu Lande auch in Abhängigkeit vom Firmenerfolg bezahlt. Das geht aus einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung hervor, die gestern in Berlin veröffentlicht wurde.Gewinnbeteiligungen nur außerhalb von Tarifen

Tarifregelungen für solche Erfolgbeteiligungen seien stets umkämpft, meinte der WSI-Fachmann Matthias Bispinck. "Den Arbeitgebern geht es seit Jahren darum, bislang feste Tarifbestandteile gewinnabhängig zu gestalten beziehungsweise dauerhafte Tariferhöhungen durch variable Einmalzahlungen zu ersetzen." Die Gewerkschaften wollten dagegen die Tarifvergütungen möglichst stabil halten und stärkere ertragsabhängige Schwankungen vermeiden, erläuterte Bispinck. So kommt es, dass eine Gewinnbeteiligung vornehmlich individuell und auf betrieblicher Ebene ausgehandelt wird, anstatt im Rahmen von Tarifverträgen. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. So geschehen beim jüngsten Abschluss in der Chemiebranche: Neben einer allgemeinen Lohnerhöhung um 3,6 Prozent wurden Einmalzahlungen von 0,7 Prozent eines Monatsgehalts ausgehandelt. Sie können gekürzt werden oder ganz wegfallen, wenn es dem Unternehmen schlecht geht. Eine ähnliche variable Größe wurde auch schon im Vorjahr in der Metallindustrie vereinbart. Vorgesehen war eine pauschale Zahlung von 310 Euro, die je nach betrieblicher Situation entfallen oder sogar verdoppelt werden konnte. Rund jede zehnte Firma zahlte daraufhin mehr als 310 Euro. Sieben Prozent der Betriebe blieben dar-unter. Weitere Varianten sind variable Weihnachtsgeldzahlungen sowie Öffnungsklauseln. Letztere dienen grundsätzlich einer Tarifsenkung. So können etwa im ostdeutschen Bauhauptgewerbe die Löhne und Gehälter durch freiwillige Betriebsvereinbarungen um bis zu zehn Prozent gekürzt werden. Dadurch sollen Arbeitsplätze erhalten bleiben. Schaut man auf die Begünstigten der erfolgsabhängigen Zahlungen, so gilt das Motto: Wer mehr hat, dem wird noch mehr gegeben. Die Branche macht den Unterschied

Von den Arbeitnehmern, die weniger als 1500 Euro brutto im Monat verdienen, erhalten gerade einmal 2,7 Prozent einen Gewinnbonus. Bei den Besserverdienern mit 7000 Euro brutto und mehr profitiert dagegen rund ein Drittel von Erfolgszahlungen. Von Bedeutung ist auch der Standort des Betriebes. Im Westen werden 8,5 Prozent aller Beschäftigten am Gewinn beteiligt. Im Osten sind es kaum vier Prozent. Zugleich macht die Branche den Unterschied: Wer als Bank- oder Versicherungsangestellter arbeitet, hat am ehesten Chancen auf einen Gewinnbonus (28 Prozent). Schlusslicht ist das Baugewerbe, wo lediglich 1,8 Prozent der Beschäftigten am Ertrag beteiligt werden. "Gewinnbezogene Löhne und Gehälter koppeln die Personalkosten stärker an die Marktsituation. Diese sind jedoch von den Arbeitnehmern nicht zu beeinflussen", gab Bispinck zu bedenken. Ein leichter Aufwärtstrend für diese Form der Vergütung ist trotzdem erkennbar. Noch vor zehn Jahren hatten lediglich sechs Prozent der Arbeitnehmer ihre Erfahrung damit gesammelt.

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