"Bei der Mehrwertsteuer ist noch nichts entschieden"

BERLIN. Ungeachtet des Sinneswandels von Paul Kirchhof, der im Kompetenzteam der Union für Finanzfragen zuständig ist, zeigt sich FDP-Generalsekretär Dirk Niebel optimistisch, dass seine Partei eine Anhebung der Mehrwertsteuer verhindern kann.

Herr Niebel, die Union hat mit Paul Kirchhof einen hoch geschätzten Steuerexperten in ihr Kompetenzteam geholt. Stiehlt der potenzielle Koalitionspartner den Liberalen die Schau? Niebel: Ganz im Gegenteil. Das ist eine Bestärkung unseres Steuerkonzepts. Paul Kirchhof war bekanntlich Gastredner auf unserem jüngsten Bundesparteitag in Köln und hat dort eine mit Begeisterung aufgenommene Rede gehalten. Wir fühlen uns jedenfalls bestätigt. Das heißt, die Durchsetzung der FDP-Forderung nach radikalen Steuersenkungen wird durch Kirchhof erleichtert? Niebel: Die Chancen für eine Verwirklichung unseres Steuerkonzepts sind sicher gestiegen. Denn Paul Kirchhof geht im Grunde mit unseren steuerpolitischen Vorstellungen konform. Aber entgegen früheren Aussagen trägt Kirchhof eine Anhebung der Mehrwertsteuer jetzt mit. Steht die FDP doch auf verlorenem Posten? Niebel: Wir sind optimistisch, dass wir im Rahmen von Koalitionsverhandlungen eine Mehrwertsteuererhöhung verhindern können. Paul Kirchhof hat gesagt, er trägt die Anhebung mit, weil es schon entschieden sei. Wir sagen, es ist noch gar nichts entschieden, so- lange Koalitionsverhandlungen nicht stattgefunden haben. Ich denke, dass Kirchhofs steuerpolitischer Sachverstand innerhalb der Union weiter wirken wird. Fast alle Mitglieder des Kompetenzteams stehen ausdrücklich für einen Kabinettsposten zur Verfügung. Das gilt auch für Wolfgang Schäuble, den profiliertesten Außenpolitiker der Union. Muss die FDP um ihre angestammte Domäne fürchten? Niebel: Wir halten uns da an das Sprichwort mit dem Bärenfell. Erst einmal muss die Wahl stattfinden und gewonnen werden. Danach kommen Koalitionsverhandlungen, in denen die Festlegung von Inhalten einen Zuschnitt der Ressorts ermöglicht. Erst dann stellt sich die Frage, wer was macht. Aber die Bürger hätten schon gern gewusst, welches Personal Rot-Grün beerben soll.Niebel: Einspruch. Die FDP will die Probleme Deutschlands lösen. Da interessiert die Menschen weniger, wer etwas wird und wer nicht. Am kommenden Mittwoch wollen sich die Spitzen von Union und Ihrer Partei treffen, um ihren Wahlkampf zu koordinieren. Was stellen Sie sich konkret darunter vor?Niebel: Tut mir leid, aber dazu äußere ich mich jetzt nicht. Sind für Sie die Ausfälle Edmund Stoibers gegen den Osten abgehakt? Niebel: Natürlich waren wir darüber nicht glücklich, weil wir anders denken. Wir sind der festen Überzeugung, dass man einen gesamtdeutschen Wahlkampf führen muss. Denn die Wahl wird in Nord und Ost, in West und Süd entschieden. Ein spezieller Wahlkampf in den neuen Ländern kommt für die FDP also nicht in Frage? Niebel: Wir schlagen Lösungen für Gesamtdeutschland vor, die im Osten besonders dringlich sind, zum Beispiel Modellregionen mit weniger Bürokratie. Wir werden im Osten keinen Sonderwahlkampf machen. Auch im Westen gibt es Regionen mit einer furchtbar hohen Arbeitslosigkeit. Die Probleme in Deutschland sind graduell zwar unterschiedlich, aber im Grundsatz gleich. Um diese Verkrustungen zu lösen, braucht es nicht nur einen Regierungswechsel, sondern auch einen Politikwechsel. Dafür stehen wir. d Das Gespräch führte unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter.

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