Berlin bald auf der "Achse des Bösen"?

BERLIN. Der Druck auf Deutschland nimmt zu. Nach dem Auftritt von US-Außenminister Colin Powell vor dem UN-Sicherheitsrat hat der amerikanische Botschafter in Berlin, Daniel Coats, am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung erhoben.

Berlin habe mit seiner Antikriegs-Haltung den Abrüstungsdruck von Saddam Hussein genommen, glaubt Coats. Er äußerte gar "ernste Zweifel, ob Deutschland noch ein verlässlicher Partner ist". Die Bundesregierung reagierte aber weder auf Coats noch auf den amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der Deutschland am Mittwoch in einem erneuten Versuch der Herabsetzung in einem Atemzug mit Libyen und Kuba genannt hatte. Normalerweise würde Bundeskanzler Gerhard Schröder auf solch einen Vergleich ironisch antworten, doch der Ernst der Lage ließ dies nicht zu. Schröder, dem Vernehmen nach sauer, hat sich vorerst Schweigen verordnet. Auch Außenminister Joschka Fischer, der heute von New York kommend in Rom eintrifft (wo er auch vom Papst empfangen wird), vermied jegliche Bewertung der amerikanischen Indizien-Kette. Aus diplomatischen Gründen war klar, dass Schröder nicht sagen konnte, was er dachte. Diese Aufgabe übernahmen die Außenpolitiker der rot-grünen Koalition, die sich einig waren: Die von Powell vorgetragenen Belege gegen den Irak seien weder neu noch stichhaltig, meinten Fraktions-Vize Gernot Erler (SPD) und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Erler sprach von einer "umfassenden Zusammenstellung von verschiedenen bekannten Daten und neuen Verdachtsmomenten". Allerdings frage er sich weiterhin, wo es Gefahren gibt, die nicht von den UN-Inspektoren unter Kontrolle gebracht werden könnten. Erwartet scharf reagierte die Union - gegen die Bundesregierung. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel forderte den Kanzler brieflich auf, zum Thema Irak-Konflikt eine Regierungserklärung abzugeben. Es gehe nicht an, dass der Deutsche Bundestag in dieser wichtigen Angelegenheit zum bloßen Zuschauer gemacht werde. Für Merkel, die in zwei Wochen zu politischen Gesprächen nach Washington reisen will, steht schon seit geraumer Zeit fest, "dass vom Irak eine Bedrohung ausgeht". Diese Ansicht vertritt ihr Vorgänger Wolfgang Schäuble, jetzt Chefaußenpolitiker der Unionsfraktion, mit großem Engagement. Lautstark schimpfte er am Donnerstag über die Außenpolitik des Kanzlers: "So isoliert man sich, so zerstört man die europäische Partnerschaftsfähigkeit, so schadet man den europäisch-amerikanischen Beziehungen, und so schwächt man die Uno". Auch Schäuble gab zu, dass Powell "nicht das ganz sensationell Neue" gesagt habe. Aber es ginge ja gar nicht darum, "den Irak mit der Atombombe in der Hand zu ertappen". Was das deutsch-amerikanische Verhältnis betrifft, wird es am Wochenende wieder spannend, wenn Rumsfeld mit hochrangigen US-Militärexperten auf der Münchner Sicherheitskonferenz auftaucht und dabei seinen Kollegen Peter Struck und Außenminister Fischer trifft. Vorsichtshalber wollte gestern niemand aus der Bundesregierung den beleidigenden Vergleich mit den Regimen Libyens und Kubas kommentieren, zumindest nicht offiziell (Inoffiziell hieß es: "Der hat sie nicht alle"). Dafür sprang ausgerechnet CSU-Chef Edmund Stoiber in die Bresche, der Rumsfelds Äußerung "außerordentlich" bedauerte. Das sei wahrlich keine angemessene und akzeptable Klassifikation Deutschlands, sagte Stoiber in München.

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