"Beste, was uns passiert ist"

SPEICHER. Wenn schon keine eigenen Kinder, dann sollten es Kinder aus ärmlichen Verhältnissen bei ihnen besser haben als in ihrer Heimat. Sabine Rodermann und Rudolf Mayer aus Speicher adoptierten zwei Kinder aus Vietnam und sind sicher: "Das ist das beste, was uns je passiert ist."

Kinder zu haben, das war der größte Wunsch von Sabine Rodermann. Darauf hatten sie und ihr Mann Rudolf Mayer schon früh ihr gemeinsames Leben ausgerichtet. Doch mit den eigenen Kindern hat es nicht geklappt - trotz medizinischer Unterstützung. "Für uns war schnell klar, dass wir Kinder adoptieren wollten", sagt die 40-Jährige. Doch ganz so einfach wurde es dann nicht. "Viele glauben, man fährt einfach ins Ausland, nach Russland oder Rumänien, geht dort in ein Kinderheim und nimmt sich das Kind, das einem gefällt", räumt die Anästhesie-Schwester mit einem weit verbreiteten Urteil auf.Illegales kam für sie nie in Frage

Ein Urteil, das immer wieder durch Horrormeldungen in so genannten Doku-Soaps im Fernsehen neuen Auftrieb erhält: Kinderlose Paare kaufen sich im Ausland ihr Wunschkind oder lassen es sogar extra gebären, organisiert von skrupellosen Menschenhändlern. Vielleicht gibt es solche Organisationen, vielleicht auch solche Eltern, die für ein Kind alles tun würden - auch Illegales. Für das Speicherer Paar kam so etwas nicht in Frage. "Die wenigsten wissen, wie hoch die Hürden sind bei einer legalen Auslandsadoption", ärgert sich Rudolf Mayer, 54, über dieses falsche Bild, das über Adoptionswillige immer gezeichnet wird. Erst muss man in Deutschland als Adoptionseltern anerkannt sein, dann kann man sich bei anderen Institutionen, die Adoptionskinder vermitteln, bewerben. In Deutschland werden jedes Jahr nur knapp 4000 Kinder zur Adoption freigegeben, mehr als 20 000 kinderlose Paare warten aber auf ein Adoptivkind. Daher gehen immer mehr Paare, die Kinder adoptieren wollen, ins Ausland. Das geht jedoch nur über staatlich anerkannte Institutionen. Sabine Rodermann und Rudolf Mayer entschieden sich für Vietnam. Vorher mussten sie ein Seminar in Bielefeld besuchen, bei dem alle juristischen Feinheiten der Auslandsadoption und die Besonderheiten des ausgewählten Landes vermittelt wurden. Eine Zusage für ein Kind hatten sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Im September 1999 kam dann überraschend der Anruf: In drei Wochen könnten sie nach Vietnam fliegen, da gebe es ein Kind, dessen Mutter es zur Adoption freigeben wolle. Dann wurde es auf einmal hektisch in dem geräumigen Einfamilienhaus am Rande des schmucken Töpferortes in der Eifel: Atteste mussten besorgt werden, Beglaubigungen von Unterlagen, Führungszeugnisse, Einkommenserklärung. Und überall musste ein hoch offizieller Stempel drauf: "Und jeder Stempel, jede Beglaubigung kostet", sagt Rudolf Mayer. Mehrere tausend Mark haben er und seine Frau damals allein für diese Formalitäten ausgegeben, das Flugticket, die Hotelkosten für den Aufenthalt in Vietnam noch nicht eingerechnet. Viele Tage saßen die beiden auf gepackten Koffern, bis endlich die Nachricht kam: "Ihr könnt jetzt fliegen.""Ich konnte es einfach nicht glauben"

In Vietnams Hauptstadt Saigon angekommen, erhalten sie zunächst mal ein Foto von dem kleinen, etwas unterernährt aussehenden Jungen, der damals noch Dung hieß. "Ich konnte es noch immer nicht glauben, dass das unser Kind sein sollte", erinnert sich Sabine Rodermann. Erst am nächsten Tag durfte sie es endlich in die Arme nehmen. Die Mutter brachte den Kleinen zum örtlichen Standesamt. "Es war gerade nur eine Handvoll Kind, so niedlich, so klein. Ich wollte kein anderes Kind mehr." Zwei Wochen lang blieben sie in Vietnam, sahen jeden Tag den Jungen, der rechtlich noch nicht ihr Kind war, mussten etliche Formalitäten erledigen, von einem Amt zum nächsten laufen. Sechs Wochen konnte die Mutter Einspruch gegen die Adoption erheben. Am 6. Dezember war die Adoption dann offiziell: Aus Dung wurde dann Niclas, passend zum Nikolaus-Tag. Aus dem Vietnamesen wurde ein Eifeler Jung, der sich schnell an sein neues Zuhause gewöhnte. Die ersten Worte, die er lernte waren auf Speicherer Platt.Mit Leon wurde das Glück perfekt

Zwei Jahre später hatten sie wieder Glück. Sie konnten wieder einen Jungen aus Saigon adoptieren. Die Mutter kam mit dem kleinen Sy, gab Sabine Rodermann das Kind und sagte: "Das ist dein Kind, pass gut auf es auf." Sabine und Rudolf konnten ihr zweifaches Glück einfach nicht fassen. "Im Hotel hatte ich Angst, zu schlafen, weil ich dachte, dann ist mein Kind weg." Sie tauften ihn auf den Namen Leon. Sabine Rodermann weiß heute: "Das mit den beiden ist das Beste, was uns je passiert ist. Ich bin endlich eine richtige Mama." Die beiden Jungens wissen, dass ihre leiblichen Mütter weit weg leben. "Meine Bauchmama wohnt in Vietnam", erklärt der vierjährige Niclas selbstbewusst. Ihre neue Eltern vermitteln den Kindern viel über ihre Heimat, es gibt regelmäßig vietnamesisches Essen und Niclas isst am liebsten Reis ("Das muss in den Genen liegen", glaubt seine neue Mama). In ihren Zimmern haben die beiden Bilder und Andenken aus Vietnam hängen: "Wir beten jeden Abend für ihre Mütter", sagt Sabine Rodermann. Sie haben guten Kontakt zu den Familien der Kinder. "Wir haben keiner Mutter ihre Kinder weggenommen, das hätte ich niemals gemacht. Wir haben nicht nur zwei Kinder bekommen, wir haben auch zwei Familien gewonnen", freut sich Sabine Rodermann. In Speicher hat man sich mittlerweile auch an die beiden Neubürger gewöhnt. Auch wenn einige Menschen anfangs skeptisch in den Kinderwagen von Niclas geschaut und gefragt haben: "Was macht ihr, wenn der anfängt zu reden? Da müsst ihr ja Vietnamesisch lernen." Auch den Vorwurf, dass die Kinder gekauft seien, hatte sich das Ehepaar bereits öfters anhören müssen. Am Anfang erklärten sie immer ausführlich, wie sie zu ihren Kindern gekommen sind. Letztens sagte eine Frau als sie Niclas sah: "Der sieht ja genau aus wie die Mama." Das Glück bei den Mayers ist perfekt seit Niclas und Leon durchs Haus flitzen. "Ich könnte nicht glücklicher sein, wenn ich die beiden selbst geboren hätte", strahlt Mama Sabine.

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