Biedermann in Fußfesseln

TRIER. Vor dem Trierer Landgericht hat am Dienstag der Prozess gegen einen Mann aus Nittel (Kreis Trier-Saarburg) begonnen. Der 45-Jährige soll seine Ehefrau (38) vergewaltigt und erschlagen haben.

Als die Grüne Minna um kurz vor halb neun am Dienstagmorgen vorfährt, wartet vor dem Gericht schon ein gutes halbes dutzend Neugieriger. Die Zuschauer-Sitzplätze im alten Trierer Schwurgerichtssaal sind begrenzt, wer bei dem auf zunächst zwölf Verhandlungstage angesetzten Prozess dabei sein will, muss früh aufstehen. Und er muss warm angezogen sein. Trotz des zu erwartenden Ansturms und der Minusgrade sind die Justizbeamten gnadenlos: Außer dem Angeklagten und seinen Bewachern darf zunächst niemand rein. Erst um 8.50 Uhr öffnet eine Wachtmeisterin gnädig die Tür. Zuschauer- und Presseplätze sind rasch belegt, wer keinen der 36 Stühle mehr erwischt, hat Pech gehabt. Als Thomas B. aus seiner Zelle in den Saal geführt wird, ist es mucksmäuschenstill. Nur die Fußfesseln des Angeklagten scheppern auf dem Holzfußboden. Thomas B. setzt sich zwischen seine beiden Anwälte. Er wirkt bieder, unscheinbar: Jeans, blaues Hemd, schwarze Schuhe, Strickjacke. Der 45-Jährige ist nervös, macht einen eher schüchternen Eindruck. "Das täuscht", sagt Christa Weirich, die Mutter des Opfers. Der erste Prozesstag beginnt schleppend. Erst steht ein Gutachter im Stau, dann lässt Verteidiger Otmar Schaffarczyk die Muskeln spielen, bittet wegen einer personellen Umbesetzung der Kammer um eine Woche Unterbrechung. "Zur Überprüfung reicht eine halbe Stunde", kontert Chef-Richterin Irmtrud Finkelgreun. Aus der halben Stunde werden schließlich vier. Erst am Nachmittag geht es weiter. Vor dem Gericht eine halbe Stunde vor Prozessbeginn - das gleiche Bild wie am Vormittag: Die Grüne Minna fährt vor, der Angeklagte wird in das Gebäude geführt, die Zuschauer dürfen draußen noch eine Viertelstunde weiter frieren. Christa Weirich, die Mutter der getöteten Michaela, ist außer Puste, als sie die Treppe in den ersten Stock endlich bewältigt hat und jetzt im Vorraum des alten Schwurgerichtssaals steht. Sie ist Nebenklägerin, hat nach eigenen Angaben keine Zweifel, dass Thomas B. der Mörder ihrer Tochter ist. "Er war es, ganz bestimmt", sagt sie und muss schlucken. "Sie war so ein liebes Mädchen", fügt Christa Weirich hinzu und zeigt zum Beweis zwei Passbilder ihrer Tochter, die sie immer im Portemonnaie hat - Fotos einer fröhlich lächelnden und gut aussehenden jungen Frau. In den Erzählungen der Mutter ist der Angeklagte ein Tyrann, der seine Ehefrau jahrelang unterdrückt und ausgenutzt hat. "Er ist ein Egoist und Rassist", schimpft sie, "für ihn gab's nur Schaffen und Sex". Anschuldigungen, die so gar nicht zu dem Biedermann-Bild passen wollen, das Thomas B. bei seinem ersten Auftritt vor Gericht abgibt. "Alles Fassade", meint die Mutter des Opfers, die auch nicht darüber hinwegkommt, dass sie erst im Nachhinein von der Beerdigung ihrer Tochter erfahren habe. "Das ist alles seine Familie schuld", sagt sie und kann nicht begreifen, dass ihr zehnjähriger Enkel jetzt bei Verwandten von Thomas untergebracht sei. Bis zu einem Urteil könne man da auch nichts machen, habe ihr das Jugendamt mitgeteilt.Fallen für einen alten Fuchs

Die 36 Zuschauerplätze sind längst wieder belegt, als um kurz nach 15 Uhr die Glocke ertönt und die sechsköpfige Kammer den Gerichtssaal betritt. Guido Haas, der zweite Verteidiger des Angeklagten, ist erst gar nicht mehr erschienen - ein Indiz dafür, dass an diesem Nachmittag wohl nichts mehr passieren wird. Und wirklich: Nach einer abermaligen Unterbrechung räumt Chef-Richterin Irmtrud Finkelgruen den Anwälten zwei Tage Zeit ein, um die Neubesetzung des Gerichts zu prüfen. "Geplatzt", sagt ein sichtlich zufriedener Rechtsanwalt Schaffarczyk. Er hält seine Karten bedeckt, doch Teile seiner Verteidigungsstrategie scheinen klar: Der Angeklagte soll schweigen, während der Jurist seine Fallen auslegt. Darin soll sich das Gericht verheddern, möglichst Verfahrensfehler machen für eine eventuelle Revision. Mit Irmtrud Finkelgruen allerdings steht dem Anwalt ein "alter Fuchs" gegenüber. Schwer vorstellbar, dass die "Grande Dame" der Trierer Justiz ausgerechnet in ihrem letzten Prozess vor der Pensionierung patzt. Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt.

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