Bienen und Pollen erzwingen Kompromiss

BERLIN. Ein langer Streit ist zu Ende: Das Gentechnik-Gesetz steht. Es setzt eine EU-Richtlinie um und regelt den Anbau von Gen-Pflanzen in Deutschland. Nachdem ein Ende Mai beratener Entwurf im Bundesrat zu scheitern drohte, hat die Bundesregierung ihr Gesetz gesplittet. Der Teil, den der Bundestag beschließen kann, wird heute den Ausschuss passieren und am Freitag verabschiedet. Federführend bei der Ausarbeitung des Gesetzes: die Eifeler Grünen-Abgeordnete Ulrike Höfken.

Am Dienstagmorgen haben Sie das Gentechnik-Gesetz unter Dach und Fach gebracht. Was steht drin? Höfken: Wir haben die Ausgestaltung des Standortregisters geregelt - also des Verzeichnisses darüber, wo gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Anders als in dem Ende Mai beratenen Entwurf wird es kein Standortregister nur nach Postleitzahlen geben, sondern ein Bundesregister, das eine Flurstück-genaue Registrierung ermöglicht. Berechtigte können die Namen der Anbauer erfragen. Die Nachbarn von Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen haben die Sicherheit, dass sie erfahren, was in ihrer Nähe angebaut wird. Das ist auch wichtig für die Haftung. Um die Haftung gab es viel Streit. Wie haben Sie das Problem gelöst? Höfken: Es bleibt bei der verschuldensunabhängigen Haftung, das heißt, der Verursacher zahlt für Schäden. Wir haben im Vergleich zu dem erwähnten Entwurf erreicht, dass Landwirte auch dann, wenn die Verunreinigung ihrer Felder unterhalb des Schwellenwertes von 0,9 Prozent liegt, Entschädigungen beanspruchen können. Muss der geschädigte Landwirt belegen, dass etwas passiert ist? Höfken: Ja. Das ist ein Problem. Aber es ist nun mal unsere Gesetzgebung, dass eine Schädigung nachgewiesen werden muss. Wer kommt für die Schäden auf? Auch hier gab es Meinungsverschiedenheiten unter anderem mit den Unionsparteien, die dafür Steuergelder verwenden wollten. Höfken: Der Verursacher hat zu zahlen. Eine Regelung, nach der die Allgemeinheit haftet, wenn jemand eine neue Technik einführt, ist nicht zu akzeptieren. Im Klartext: Wer Gen-Pflanzen anbaut, ist am Brett. Höfken: Der Landwirt muss auf diesen Kosten nicht sitzen bleiben. Wir haben auch die Inverkehrbringer - also zum Beispiel die Saatgutfirmen - mit einbezogen, indem wir eine Produktinformations-Pflicht festgeschrieben haben. Das heißt, es wird eine Art Beipackzettel verlangt, in dem die Unternehmen Auskunft geben, wie mit ihrem Produkt umzugehen ist. Wenn sich ein Landwirt daran hält, aber trotzdem Probleme entstehen, kann er sich an die Firma wenden. Es ist nicht so, dass derjenige, der gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, geknebelt und geknechtet ist. Er hat auch Rechte. Wie sehen denn nun die Bestimmungen aus, die sicherstellen sollen, dass Gen-Pflanzen konventionell oder ökologisch angebaute Artgenossen nicht verunreinigen? Höfken: Diese fachliche Praxis ist der Bereich, der in die Zustimmungspflicht des Bundesrates fällt. Wir werden einen entsprechenden Vorschlag in den Bundesrat geben. Meine Vermutung ist: Er wird es nicht behandeln, er wird keine Regelungen für die Praxis verabschieden. Das finde ich sehr bedauerlich. Aber wir haben ja durch die genannte Produktinformations-Pflicht einen Teil der fachlichen Praxis geregelt. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die Bundesregierung verhindere mit dem Gentechnikgesetz Anbau von und Forschung an Gen-Pflanzen? Höfken: Das Gesetz verhindert, dass Chaos entsteht. Eine Technik, die nicht akzeptiert ist, die negative Auswirkungen auf Umwelt oder Gesundheit hat, bei der man solchen möglichen Entwicklungen nicht vorbeugt, die hat ohnehin keine Zukunft. Deutschland ist kein Land, das Forschung verhindert. In den letzten Jahren hat es sehr viel Forschung in diesem Bereich gegeben. Von einer Gentechnik wie in den USA, die alle Verbraucher und Landwirte zu Versuchskaninchen macht, halten wir wenig. Umfragen zufolge sind 70 Prozent der deutschen Verbraucher und Landwirte gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Warum ist er nun doch erlaubt? Höfken: Es besteht keine Möglichkeit, pauschal eine Technik zu verbieten. Man kann Auflagen machen. Das ist mit unserem Gesetz jetzt geregelt. Es gibt viele Mitgliedsländer in der EU, die auf die Gentechnik setzen, andere sehen eher Gefahren. Wir müssen uns auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Es nützt gar nichts, wenn Deutschland sagt: "Ich mache das alles nicht mit!" und damit auf eine vernünftige europäische Lösung verzichtet. Wir können die Grenzen nicht dicht machen. Die Bienen bringen auch aus Luxemburg oder Frankreich Pollen. Ihr Tipp: Werden die Landwirte in unserer Region künftig Gen-Pflanzen anbauen oder nicht? Höfken: Ich kann mir schwer vorstellen, dass sie mit Gentechnik wirtschaften werden. Den Schädling etwa, gegen den Mais per Genveränderung resistent gemacht wurde, gibt's bei uns nicht. Und es ist ja auch nicht so, dass die Gentechnik ihre Heilsversprechungen bisher wahrmachen kann. S Mit Ulrike Höfken sprachTV-Redakteurin Inge Kreutz.

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