Billigflieger statt Militärjets

MAINZ. Rheinland-Pfalz, das Bundesland mit der größten Truppenkonzentration und ehemals der Flugzeugträger der Nato, hat abgerüstet: In den vergangenen zehn Jahren wurden 565 Militär-Liegenschaften mit insgesamt mehr als 10 000 Hektar geräumt. Rund 75 000 Soldaten zogen ab, nahezu 30 000 zivile Arbeitsplätze gingen unmittelbar verloren.

 Dort wo einst Militärs exerzierten und Kampflug-zeuge abhoben, werken heute Arbeiter oder trainierenSportler. Der Flugplatz Hahn (oben), Bitburg (ganz links) und Trier (oben links) sind als Konversionsstandorte auf einem guten Weg. Wittlich (links) hofft nun auf ähnlicheErfolge. Fotos: Geisbüsch/Krämer/Zwank/Simon

Dort wo einst Militärs exerzierten und Kampflug-zeuge abhoben, werken heute Arbeiter oder trainierenSportler. Der Flugplatz Hahn (oben), Bitburg (ganz links) und Trier (oben links) sind als Konversionsstandorte auf einem guten Weg. Wittlich (links) hofft nun auf ähnlicheErfolge. Fotos: Geisbüsch/Krämer/Zwank/Simon

Billigflieger heben vom früheren Fliegerhorst ab, Studenten büffeln in verlassenen Kasernen und moderne Wohnparks breiten sich in ehemaligen Housing-Areas aus. Der Umbau und die zivile Nutzung alter Militärgelände - vom Einkaufszentrum bis zur Raketenstellung - hat in Rheinland-Pfalz viele Gesichter, auch wenn längst nicht alle Hoffnungen auf neue Chancen Blüten treiben. Rund 1,3 Milliarden Euro haben Land und Kommunen investiert, um den Truppenabbau in neue wirtschaftliche Perspektiven umzuwandeln. Insgesamt 34 500 Arbeitsplätze sind dadurch direkt oder indirekt geschaffen worden.43 000 Zivilbeschäftigte bei den Streitkräften

In kaum einem anderen Teil Deutschlands hat der Abzug der Soldaten nach dem Ende des Kalten Krieges so große Veränderungen mit sich gebracht wie in den Regionen Eifel-Hunsrück-Nahe und Pfalz. Allein mit ihren Luftwaffenbasen in Bitburg, Hahn, Zweibrücken und Sembach lösten die US-Streitkräfte jeweils Stützpunkte im Ausmaß einer kleineren Stadt auf. Die Bundeswehr dünnte ihre Garnisonen kräftig aus und verlegte ein komplettes Jagdbomber-Geschwader von Sobernheim-Pferdsfeld nach Ostdeutschland. Bis auf Saarburg räumten alle französischen Einheiten das Feld. Bis zu 7,6 Prozent der Landesfläche waren durch Streitkräfte genutzt worden. Von den freigegebenen Liegenschaften lag jede vierte in der Westpfalz, mehr als 16 Prozent in der Region Eifel-Trier und 14 Prozent im Raum Nahe-Hunsrück.Rund 127 000 Soldaten und 43 000 Zivilbeschäftigte fanden noch Ende der 80er Jahre ihren Arbeitgeber beim Militär. Durch den immensen Rückbau ging nach Schätzung der Mainzer Landesregierung rund 1,5 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren. Von den 565 freigegebenen Arealen und Objekten sind nach dem jüngsten Konversionsbericht inzwischen 205 entwickelt. Weitere 70 sind zumindest teilweise umgenutzt. Bei 147 Liegenschaften ist eine Konversion eingeleitet, die in den nächsten acht bis zehn Jahren umgesetzt werden soll.Zu den Vorzeigeprojekten im Land gehören unter anderem die Flughäfen Hahn und Zweibrücken. Trotz einer rasanten Entwicklung mit 1,4 Millionen Passagieren im Jahr 2002 und aktuell 2000 Jobs schreibt der inzwischen zum Ableger von Frankfurt aufgestiegene Hahn allerdings noch immer rote Zahlen. Insgesamt 50 Millionen Euro Landesgelder flossen bisher in den Ausbau des Flughafens oder zum Ausgleich von Fehlbeträgen. Jetzt werden die Verluste vom Mehrheitsgesellschafter, der Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport, getragen. In die Entwicklung des früheren US-Stützpunktes Zweibrücken mit Fabrikverkauf und Gewerbeansiedlung wurden sogar 100 Millionen Euro investiert, davon rund 20 Millionen in den Flugplatz-Ausbau. Trotz der erlaubten Nachtflüge ist der Flugbetrieb bisher allerdings nicht auf die Beine gekommen.Relativ bescheiden nehmen sich dagegen die Landesmittel für Bitburg aus. Dort wurden bisher 8,1 Millionen Euro gezahlt, weitere 2,5 Millionen sind fest zugesagt. Während die eigentliche Konversion dort als sehr erfolgreich gilt, will das Land für eine fliegerische Nutzung jedoch keine zusätzlichen Gelder mehr bereit stellen.Millionen für die einzelnen Projekte

Durch das Innenministerium wurde aus Mitteln der Städtebauförderung und des Investitionsstocks unter anderem die Trierer Konversionsprojekte der ehemaligen französischen Kasernen Castelforte und Petrisberg mit jeweils mehr als zehn Millionen Euro gefördert. Zugute kam es unter anderem Sportanlagen und Hochschul-Einrichtungen. Knapp fünf Millionen flossen in die Entwicklung des Industrieparks Region Trier auf dem früheren Militärflugplatz Föhren-Hetzerath. Die Stadtentwicklung Bitburgs wurde mit 4,2 Millionen Euro gefördert. Für den zivilen Umbau der Kaserne Foch in Wittlich gab es bisher 2,8 Millionen Euro. Weiteres Geld floss in den neuen Energiepark im Depot Morbach-Wenigerath (107 000 Euro) und in das frühere Pionier-Lager Granahöhe in Wasserliesch (644 000 Euro), für die Ansiedlung von Gewerbe und Industrie. Von 85 landesweit und regional bedeutsamen Konversionsprojekten ist jedes fünfte abgeschlossen und weitere 43 Prozent in der Umsetzung, so Innenminister Walter Zuber jüngst im Landtag. Vor allem Wohnkonzepte und Gewerbeansiedlung, aber auch Hochschuleinrichtungen, oft in Verbindung mit Technologieparks und Gründerzentren, wurden verwirklicht. Viele städtebauliche Perspektiven eröffnen sich neu. Doch angesichts leerer Kassen wird laut Zuber künftig noch stärker mit vorrangigen Schwerpunkten gearbeitet werden müssen. Nicht mehr jede militärische Brachfläche wird entwickelt werden. Nicht zuletzt mit Blick auf die langfristig rückläufige Einwohnerzahl sollen vor allem funktionierende Schlüsselprojekte weiter ausgebaut werden. Das Land wird nicht mehr allein aus Gründen der gerechten Verteilung Flächen gleichartig entwickeln können, steht für den Innenminister fest. Nur wenn die Projekte ökonomisch machbar und aus Sicht des Landes auch finanzierbar sind und ihren Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels oder zur Verbesserung der Siedlungsstruktur leisten, geht er von einem sinnvollen finanziellen Einsatz aus. "Wir werden Akzente und Prioritäten setzen müssen, regional und auf kommunaler Ebene", heißt Zubers Vorgabe, die viele Bürgermeister in Konversionsregionen aufhorchen lässt.

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