Bittere Nachricht kurz vor dem Abflug

Mit allem Möglichen hatte Angela Merkel in Sachen Opel gerechnet. Aber nicht damit, dass General Motors sein europäisches Tochterunternehmen gar nicht verkaufen würde. Am Dienstag erfuhr die Kanzlerin in Washington nach einem Essen mit IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn von der überraschenden Kehrtwende des GM-Verwaltungsrates.

Washington/Berlin. Angela Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann hatte mit Detroit telefoniert. Doch man musste sofort zum Flugzeug und konnte an Ort und Stelle nicht mehr reagieren. Nach der Landung in Berlin hatte die Regierung ihre Sprache wieder gefunden. Sie schoss Breitseiten gegen die amerikanischen Bosse ab und verlangte ihr Geld zurück.

Opposition verlangt Regierungserklärung



Allerdings trat Merkel nicht persönlich auf. Man bedauere die Entscheidung, erklärte ihr Sprecher Ulrich Wilhelm, nachdem das Thema morgens im Kabinett zur Sprache gekommen war. Damit werde ein Investorenprozess abgebrochen, der mehr als ein halbes Jahr gedauert habe. Die Regierung erwarte nun, dass GM so wenig Arbeitsplätze wie möglich abbaue und die 1,5 Milliarden Euro, die die Bundesregierung als Überbrückungskredit gegeben hatte, fristgerecht zum Monatsende zurückzahle.

Die Opposition freilich wollte die Kanzlerin, die sich im Wahlkampf noch ähnlich wie die SPD als Opel-Retterin gegeben hatte, so nicht davonkommen lassen. Sie solle dazu im Bundestag in der nächsten Woche eine Regierungserklärung abgeben, verlangte die Linke. Die Grünen sprachen von einer "Blamage für Merkel", und auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier adressierte seine Erklärung direkt an die Regierungschefin: Er fordere sie auf, "jetzt die Arbeitnehmer nicht im Stich zu lassen". Es müsse schleunigst ein Standort- und Beschäftigungskonzept für Opel vorgelegt werden.

Einen solchen Plan B aber hat die Regierung noch nicht. Sie wartet darauf, dass GM erst einmal seine neuen Überlegungen für Europa offenlegt. GM-Vorstand Fritz Henderson hatte dies am Dienstagabend im Telefonat mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) auch angekündigt. Allerdings: Falls GM nun im Gegenzug für Standortzusagen einen Teil jener Gelder von der Regierung haben will, die vorher für den Investor Magna vorgesehen waren, immerhin 4,5 Milliarden Euro, dürfte der Konzern wohl auf Granit beißen. Mehr als eine "ordentliche Prüfung" im Rahmen des Deutschlandsfonds sagte die Regierung für den Fall eines solchen Förderantrages nicht zu. Und Wirtschaftsminister Brüderle, in dessen Ressort die Entscheidung läge, hatte schon vor der Wahl gesagt, dass es Staatshilfen nur geben dürfe, wenn sich GM vollständig von Opel trenne. Was ja nun nicht mehr der Fall ist. Gestern allerdings nannte Brüderle den GM-Beschluss "völlig inakzeptabel" und zeigte durch ein Telefonat mit Betriebsratschef Klaus Franz seine Betroffenheit. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sprach von "Scheinheiligkeit".

Für die Kanzlerin ist die Entwicklung auch bitter, weil damit ihr ansonsten so erfolgreich verlaufender Washington-Besuch völlig in den Hintergrund gedrängt wurde. Dennoch erklärte man in ihrer Umgebung immer wieder, man habe vorher keinerlei Hinweise gehabt und glaube auch nicht, dass die amerikanische Regierung etwas gewusst habe. Kurz vor der Entscheidung hatte Merkel noch mit Präsident Obama gesprochen - dabei sei Opel nicht einmal erwähnt worden. Nun will Merkel Obama in den nächsten Tagen noch einmal anrufen.

Vorwürfe an EU-Kommissarin



Vorwürfe konnte man im Regierungslager nur gegen die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hören, die den Verkaufsprozess in letzter Minute mit der Forderung aufgehalten hatte, GM solle versichern, dass es nicht unter deutschem Druck verkaufe. "Wenig hilfreich" nannte auch SPD-Mann Heil die Aktivitäten der EU-Kommissarin.

Berlin pocht nun auf die Rückzahlung des Überbrückungskredits von 1,5 Milliarden Euro bis Ende des Monats. Andernfalls würden die Sicherheiten fällig - Opel würde dann zu einem großen Teil dem Staat gehören. Aber GM hat das Geld offenbar.

Gestern startete ein anderer Abgesandter aus Berlin in Richtung Washington: Der Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle, der dort seinen Antrittsbesuch absolvieren will. Dass er sich noch einmal für das alte Konzept in die Waagschale wirft, ist allerdings mehr als fraglich. Denn schon vor der Wahl hatte der FDP-Vorsitzende die geplante Opel-Rettung den "teuersten Wahlkampf der Republik-Geschichte" genannt.

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