Bittere Pillen für alle

TRIER. Keine Frage: Die EU-Agrar-Reform wird kommen, und sie wird in ihren Grundzügen mit den jetzt vorgelegten Kommissionvorschlägen übereinstimmen. Die Bauern werden bittere Pillen schlucken müssen und auchOtto Normalverbraucher könnte die Auswirkungen zu spüren bekommen.

Geht es nach EU-Agrarkommissar Franz Fischler, wird es in den Milchgeldkassen der Bauern künftig noch dürftiger aussehen als zurzeit. Des einen Leid, des anderen Freud? Dürfen sich die Verbraucher künftig auf billigeren Jogurt, Quark oder Käse freuen? Fehlanzeige. Die Verbraucherpreise seien in Deutschland bereits jetzt so gering, dass nach unten kein Spielraum existiere, sagt Karl-Heinz Engel, Hauptgeschäftsführer der Hochwald-Nahrungsmittelwerke in Thalfang. Auch Norbert Thies-Mayer aus Hüttingen, Vorsitzender einer landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaft, hält niedrigere Verbraucherpreise für unwahrscheinlich. Er prophezeit im Gegenteil: "Die Leute müssen mehr zahlen, weil es heißt, die Qualität sei besser." Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, ist davon überzeugt, dass die Reformvorschläge weder dem Verbraucher- noch dem Naturschutz dienen. Die Aussage Fischlers, sein Vorstoß unterstütze die Produktion qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel, eine artgerechte Tierhaltung und eine intakte Umwelt, gehe an der Praxis vorbei, meint Blum. "Dies sind genau die Punkte, die die Landwirte in unserer Region seit Jahren erfolgreich umsetzen." "Weniger als zehn Prozent kaufen bewusst ein"

Auch in einer anderen Einschätzung stimmen Engel, Thies-Mayer und Blum überein: Die Verbraucher müssen umdenken. "Die Deutschen geben elf Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus, die Franzosen 20", berichtet Engel. Thies-Mayer klagt: "Ich behaupte, dass weniger als zehn Prozent der Leute bewusst einkaufen." Der Landwirt fordert, die Verbraucher über gesundheits- und umweltschädigende Produktionsmethoden sowie tierquälerische Haltungsformen in anderen Ländern aufzuklären, um das Bewusstsein für die hohen Standards der heimischen Landwirtschaft zu schärfen. Befürchtungen, die Bauern würden wegen des wachsenden Preisdrucks künftig schlechtere Qualität abliefern, hält Thies-Mayer für unbegründet: "Die Standards sind so genau vorgeschrieben, dass wir keine Spielräume haben." Bauernpräsident Blum sieht in anderer Hinsicht allerdings sehr wohl negative Auswirkungen der EU-Reformpläne auch auf Nicht-Landwirte zukommen: "Unsere Kulturlandschaft kann nur offen gehalten werden, wenn die Landwirtschaft existieren kann." Er verweist auf die Bedeutung der Landschaftspflege für den Tourismus.Und Rainer Sievers, Geschäftsführer der Milch-Union Hocheifel eG aus Pronsfeld, fügt hinzu, dass ein Niedergang der Milchwirtschaft in Deutschland nicht nur die betroffenen Bauern ihren Job kosten würde: Die Milchwirtschaft sei der stärkste Zweig innerhalb der deutschen Ernährungswirtschaft und beschäftige rund 38 000 Menschen.

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