Bloß nicht zur Last fallen

Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Urnenbestattung. Mehr als 40 Prozent sind es beispielsweise in Wittlich, in Trier liegt die Quote sogar schon bei 52 Prozent und in einigen Großstädten liegt sie bei mehr als 90 Prozent. Unter dieser Entwicklung leiden vor allem Steinmetze und Grabausrüster und - wie es scheint - auch allzu oft die Angehörigen.

 Urnenwände wie hier in Hermeskeil werden immer häufiger TV-Foto: Archiv/Ursula Schmieder

Urnenwände wie hier in Hermeskeil werden immer häufiger TV-Foto: Archiv/Ursula Schmieder

Trier/Bitburg/Wittlich. "Viele Hinterbliebenen erleben erst nach einer Bestattung, wie schmerzlich es ist, keine Anlaufstelle in Form einer Grabstätte zu haben", sagt Sigrid Diekow von der Initiative "denkmal" und kritisiert damit vor allem die anonyme Urnenbestattung. Die Initiative macht sich für den Erhalt der Friedhofskultur stark und will die Themen Tod, Trauer, Sterben in der Öffentlichkeit ansprechen. Das Netzwerk aus Steinmetzen, Gärtnern, Bestattern oder auch Seelsorgern ist im Aufbau und berät Kommunen und Interessierte in Sachen Bestattung, denn hier vollzieht sich ein dramatischer Wandel. Die Gründe dafür reichen unter anderem vom gesellschaftlichen Wandel über die Vorstellung, von Würmern zerfressen zu werden, bis hin zur Tatsache, dass der Glaube immer weniger gelebt wird. "Dass sich eine Veränderung andeutet hat, man schon vor 10 Jahren bemerkt, aber mit dem Tempo hatte keiner gerechnet", sagt Hans-Peter Melchisedech vom gleichnamigen Steinmetzbetrieb in Trier. Auch er hat zu spüren bekommen, dass sich immer weniger Menschen für eine Grabstätte im klassischen Sinn, also mit Grabstein und Einfassung entscheiden: "Ich arbeite heute mit einem Mitarbeiter weniger als vor fünf Jahren."Verkauf von Grableuchten und Kreuzen geht zurück

Noch deutlicher hat Heinz Plein den Wandel zu spüren bekommen. Er ist Geschäftsführer von "Plein Bronzen", einer der größten Gießereien für Grabschmuck in Deutschland mit Sitz in Speicher (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Der Verkauf von Grableuchten, Kreuzen, Blumenvasen oder Lettern ist in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen. "Wir versuchen, das zu kompensieren, indem wir in osteuropäischen Ländern wie Polen, Tschechien oder Ungarn neue Märkte erschließen. Die Menschen sind dort zwar wesentlich ärmer, aber sie geben für ein Grab im Verhältnis deutlich mehr aus als die Menschen in Deutschland." Dabei sind hier zu Lande trotz oftmals hoher Friedhofsgebühren noch nicht mal die Kosten der Hauptgrund für ein Urnengrab. "Die älteren Menschen wollen ihren Angehörigen nach ihrem Tod nicht zur Last fallen. Deshalb entscheidet man sich für eine Grabform, die keine Arbeit macht", sagt Sigrid Diekow. Nur wenn es dann passiert ist, bereuen die Hinterbliebenen oft ihre Wahl. "Schauen Sie sich doch mal eine Urnenwand oder ein Rasengrab an. Da werden überall Kerzen aufgestellt und Blumen abgelegt, obwohl das nicht erlaubt ist. Alles nur, weil man eine Anlaufstelle sucht." Diese Erfahrung hat auch Sebastian Langner gemacht. Er arbeitet seit fünf Jahren als selbstständiger Steinmetz in Wittlich. "Ich kenne eine Frau, die hat ihren Mann in Luxemburg verstreuen lassen. Nun leidet sie immens darunter, dass sie keine Trauerstätte hat." Langner trotzt dem Verbrennungs-Trend, indem er sich auf individuelle Grabmalgestaltung spezialisiert hat. Zum Beispiel durch ovale Einfassungen, hiesige Natursteine als Grabstein, individuelle Schriften und vieles mehr. Für Langner gibt es keinen Grund für eine Urnenbestattung. "Wir müssen uns davon verabschieden, die Gräber mit Primeln oder anderen Blumen zu bepflanzen. Das erfordert regelmäßige Pflege. Wenn man etwa Efeu oder kleine Sträucher pflanzt, sieht das gut aus, und es reicht, wenn man sich zweimal im Jahr drum kümmert."

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