Blüten im Bundestag

Berlin · Was die Abgeordneten in vier Jahren geschafft haben - und was nicht.

Berlin Bundestagsabgeordnete brauchen enorm viel Sitzfleisch. 245 Plenarsitzungen liegen seit Ende 2013 hinter ihnen, nachdem Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Dienstag gewissermaßen die Schlussglocke der 18. Wahlperiode läutete. Hinzu kamen Hunderte Anhörungen, Fraktionssitzungen, Ausschuss- und sonstige Beratungen. Was haben die 630 Parlamentarier dabei zustande gebracht? Und was nicht? Eine Bilanz (siehe auch: Grafik).

Gesetzgebung: Insgesamt 730 Gesetzesentwürfe hat der Bundestag in den letzten vier Jahren beackert. 555 davon wurden verbschiedet.

Höhen: Zu den Sternstunden zählte die Debatte über eine Neuregelung der Sterbehilfe. Frei von Fraktionszwängen und politischen Wortblasen führten die Abgeordneten eine ethisch und emotional aufgeladene Debatte, an deren Ende sich ein fraktionsübergreifender Gesetzentwurf durchsetzen konnte, der die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe unter Strafe stellt. Ein weiterer Höhepunkt war der Beschluss über die "Ehe für alle" kurz vor der Sommerpause - zumal er durch einen verblüffenden Sinneswandel von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zustande kam, der nicht mit ihren eigenen Reihen abgestimmt war.

Tiefen: Trotz aller Mahnungen kam keine Wahlrechtsreform zustande. Damit bleibt das Risiko einer starken Erhöhung der Zahl der Bundestagsmandate nach der kommenden Wahl, was die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu beeinträchtigen droht. Sowohl Lammert als auch SPD und Opposition wollten auch das müde Ritual der Regierungsbefragungen im Bundestag reformieren, scheiterten aber an der Union. So bleibt es dabei, dass die Abgeordneten nicht die Kanzlerin herbeizitieren dürfen und die Themen der Befragung von der Regierung vorgegeben werden. Zu den Schattenseiten gehört auch der Rausschmiss von Abgeordneten der Grünen aus einer Plenardebatte, weil sie T-Shirts mit der Forderung nach Freilassung des Journalisten Deniz Yücel trugen. Laut Hausordnung sind Plakate und Kleidung mit politischen Botschaften unzulässig.

Aufgefallen: Der fleißigste Redner im Bundestag war der CSU-Politiker Volker Ullrich. 110 Redemanuskripte des Rechts- und Innenpolitikers wurden statistisch registriert, einschließlich der zu Protokoll gegebenen. Mit 105 Reden dicht dahinter lag die Abgeordnete Ulla Jelpke von der Linkspartei. Dafür war die Innen- und Migrationsexpertin einsame Spitzenreiterin bei den schriftlichen Regierungsanfragen. Unter 1086 entsprechenden Vorlagen stand ihr Name. Ein Rekord waren auch die fünf parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. So viele gab es seit der Wiedervereinigung im Bundestag noch nie.

Durchgefallen: Gleich drei profilierte Abgeordnete waren ein Fall für die Justiz: Sebastian Edathy (SPD) wegen des Verdachts der Beschaffung von kinderpornografischem Material und Michael Hartmann (SPD) sowie Volker Beck (Grüne) wegen des Besitzes von Rauschgift. Edathy hatte sich in der vorherigen Wahlperiode als Aufklärer der NSU-Morde einen Namen gemacht und galt als Hoffnungsträger seiner Partei. Er legte Anfang 2014 sein Mandat nieder. Für Beck und Hartmann ging die politische Karriere gestern zu Ende. Beide kandidieren nicht mehr für den neuen Bundestag.

Neuerungen: Neu ist, dass der Bundestag nicht mehr nur über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf redet, sondern sie auch selbst praktiziert - in einem Raum neben dem Plenarsaal wurde ein Spielzimmer eingerichtet, in dem man sich bei Abendsitzungen um den Nachwuchs von Abgeordneten kümmert. Ebenso neu ist, dass sich das Parlament ein eigenes Bienenvolk hält. Und zwar im Hof des Paul-Löbe-Hauses gleich neben dem Reichstag. Vermarktet wird der Honig übriges unter dem Namen "Bundestagsblüte".

Abschied: Insgesamt 116 der 630 Parlamentarier bewerben sich nicht mehr für ein neues Mandat. Darunter so bekannte Politiker wie Peer Steinbrück (SPD), Wolfgang Bosbach (CDU), Christian Ströbele (Grüne) und auch Norbert Lammert. 37 Jahre lang gehörte er dem Bundestag an.

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