Blut, Schweiß und Tränen

Berlin . Die Fernsehanstalten sind "live" dabei, die Radiosender berichten, und die Pressetribüne im Reichstag wird bis auf den letzten Platz besetzt sein. Wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder heute morgen um neun Uhr zur wichtigsten Rede seiner Amtszeit antritt, wird das Interesse nur noch von den Erwartungen übertroffen.

Die Latte ist vor der heutigen Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder so hoch gelegt worden, dass der Kanzler sie gar nicht überspringen kann. Dennoch präsentierte sich Schröder am Donnerstag vor Journalisten locker. Welche Überraschungen er in petto hat, wollte er aber nicht verraten. Dem Vernehmen nach wird es eine "Blut-, Schweiß- und Tränen"-Rede werden. "Wir stehen vor schwierigen Weichenstellungen", sagte dazu Superminister Wolfgang Clement, der dem Kanzler einige Ideen für sein Reformkonzept geliefert hat. Die Frage ist bloß, wie umfangreich der Katalog der Zumutungen ausfällt, die Schröder und seine Berater für unumgänglich halten. Die bislang bekannt gewordenen Punkte - Reduzierung des Arbeitslosengeldes, Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf niedrigem Niveau, Kürzung des Krankengeldes, Privatversicherung für Freizeitunfälle, Lockerung des Kündigungsschutzes - haben insbesondere bei den Linken in der SPD schon für kritische Reflexe gesorgt. Deren Sprecherin Andrea Nahles bezeichnete die Reformpläne als "Schrotladung auf die eigenen Leute". SPD-Generalsekretär Olaf Scholz erwartet trotzdem eine "breite Mehrheit" für das Schröder-Konzept.Stoibers Sanierungsplan sorgt für Ärger in der CDU

Spannend wird an diesem Freitag, dem historische Dimensionen nicht abzusprechen sind, nicht nur Schröders Auftritt, der nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Ulrich Sarcinelli (Koblenz) die politische Zukunft des Kanzlers entscheiden könnte. Auch die Reden der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber stoßen auf großes Interesse. Die Ankündigung Stoibers, einen "Sanierungsplan für Deutschland" vorzulegen, hat für Unstimmigkeiten und Verärgerung bei der CDU gesorgt. Das radikale Konzept, das bereits bekannt geworden ist, geht teilweise über die Beschlusslage der Union hinaus, wobei Stoiber sich nicht scheute, ein wesentliches Wahlkampf-Versprechen wieder zu kassieren: Das Arbeitslosengeld soll nach seinen Vorstellungen nur noch ein Jahr lang gezahlt werden. Desweiteren will der Ex-Kanzlerkandidat die Sozialhilfe, die Sozialversicherungsbeiträge und die Beiträge zur Krankenversicherung absenken sowie fünf Jahre lang auf Steuererhöhungen verzichten. Bei allen Differenzen sind sich die Parteien in einem Punkt einig: Zur Ankurbelung der Konjunktur sind die Reduzierung der Lohnnebenkosten und der Steuerlast unumgänglich. Die große Frage ist nun, ob Schröder es wagt, ein Kaninchen namens "Vorziehen der Steuerreform 2005" aus dem Hut zu zaubern, oder ob er es mit dem angekündigten 15-Milliarden-Kreditprogramm für Bauwirtschaft und Kommunen bewenden lässt. Die Beurteilungs-Formel der Beobachter steht jedenfalls schon fest: Je kleiner die Überraschungen in seiner Rede "Mut zum Frieden - Mut zu Veränderungen" ausfallen, desto größer wird anschließend die Enttäuschung sein.

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