Bonbon für ältere Arbeitslose

BERLIN. Ältere Arbeitslose sollen nach dem Willen der SPD nun doch länger Arbeitslosengeld erhalten als bislang vorgesehen. Dies hat die SPD-Bundestagsfraktion am Dienstag beschlossen. Die geplante Neuregelung betrifft alle Arbeitnehmer über 45 Jahre, die vor dem 31. Januar 2008 ihre Stellen verlieren.

Ludwig Stiegler hob gestern am Rande der SPD-Fraktionssitzung die Hand zum Schwur: "Ich kann schwören, dass ich seit September daran gearbeitet habe", beugte der Bayer im Brustton der Überzeugung vor. "Und dass ich es im März im Vorstand angesprochen habe." Ältere Arbeitslose sollen nach dem Willen der SPD nun doch noch bis 2008 statt bis 2006 das höhere Arbeitslosengeld I erhalten. Und glaubt man Stiegler, ist das keine Wahlkampfwende, kein Nachjustieren an der Agenda 2010 nach links. "Nein, das ist es nicht", so der Fraktionsvize vehement. Auf der Hand liegt jedoch auch, dass die SPD-Spitze - eingekeilt vom neuen Linksbündnis und den eigenen Parteilinken - momentan die Wiederentdeckung des Sozialen betreibt. Erst entfachte Müntefering eine Debatte um Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer, dann folgten am Montag beim SPD-Kongress zur Zukunft der sozialen Marktwirtschaft massive Angriffe auf den "ungebremsten Sozialabbau", den die Opposition plane. Und jetzt ist die SPD zu sozialen Zugeständnissen an ältere Erwerbslose bereit, in dem sie einen wichtigen Baustein der Hartz IV-Reform ummodelt und einer Forderung nachkommt, die in den letzten Monaten zwar von vielen Seiten, aber insbesondere massiv von den Parteilinken erhoben worden war. Offensichtlicher kann man eigentlich nicht die Richtung wechseln. Bislang gilt beim Arbeitslosengeld ein Stufenmodell je nach Alter des Arbeitslosen. Nach der Hartz-Reform sollten ursprünglich ab 1. Februar 2006 alle unter 55-Jährigen nur noch zwölf Monate Arbeitslosengeld erhalten, die über 55-Jährigen 18 Monate. Die Übergangsfrist zum Arbeitslosengeld II will die SPD jetzt um zwei Jahre verlängern, was faktisch einer Rückkehr zur alten Regelung gleich kommt. "Ältere Arbeitslose über 58 Jahre werden damit zum Beispiel vorerst weiter 32 Monate lang das Arbeitslosengeld eins erhalten", so Müntefering.Keine Blockade durch Bundesrat möglich

Begünstig werden laut SPD-Chef alle Arbeitnehmer über 45 Jahre, die vor dem 31. Januar 2008 arbeitslos werden, sie bekommen gestaffelt länger als ein Jahr das Arbeitslosengeld I. "Es ist nicht gelungen, den Älteren am Arbeitsmarkt ausreichend Angebote zu machen", begründete Stiegler. Vielmehr sei das Risiko älterer Arbeitnehmer, langzeitarbeitslos zu werden, größer geworden. Müntefering selbst meinte, die Integrationsangebote für ältere Arbeitslose seien derzeit noch nicht so gut wie zunächst vorgesehen. Die neuen Regelungen sollen bereits am Freitag im Parlament abschließend verabschiedet werden. Falls der unionsdominierte Bundesrat gegen die Pläne Einspruch einlegt, könnte die rot-grüne Koalition die Neuregelung trotzdem mit Kanzlermehrheit durchsetzen. "Statt Arbeitsplätze zu schaffen, will Rot-Grün ältere Arbeitslose bis ins Rentenalter alimentieren", moserte bereits CDU/CSU-Fraktionsvize Ronald Pofalla. Der Gegenvorschlag der Union knüpfe hingegen den längeren ALG-I-Bezug nicht an das Lebensalter des Betroffenen, sondern an die Länge der Zeit, in der er Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt habe.

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