Buhlen um die Jugend

BERLIN. Das rot-grüne Bundeskabinett musste gestern die Antworten auf eine große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion beschließen. Stolze 225 Fragen zum Thema "Jugend in Deutschland" hatten die C-Parteien im letzten Jahr gestellt. Mit den Ergebnissen will das schwarze Lager jetzt die Koalition im Parlament in die Bredouille bringen.

 Viele Jungwähler fühlen sich keinem politischen Lager zugehörig. Regierung und Opposition haben sie im Visier. Foto: Friedemann Vetter

Viele Jungwähler fühlen sich keinem politischen Lager zugehörig. Regierung und Opposition haben sie im Visier. Foto: Friedemann Vetter

Die Bundesregierung ihrerseits will allerdings nicht zurückstecken, sie sieht sich auf gutem Weg: "Kinder- und Jugendpolitik stehen ganz oben auf unserer Agenda", so die zuständige Ministerin Renate Schmidt (SPD). Eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl beginnen die Parteien langsam damit, um jene zu buhlen, deren Stimmen besonders wahlentscheidend sein könnten: um Familien sowieso, nun aber auch um die Jungwähler. So führt der Bundestag am morgigen Freitag eine jugendpolitische Debatte, in der die große Anfrage der Union eine zentrale Rolle spielen wird. Die Experten der Parteien wissen jedoch nur zu gut, dass sich der Nachwuchs - beim Urnengang 2002 konnten 3,3 Millionen 18- bis 25-Jährige ihre Stimme abgeben - nicht so einfach mobilisieren und ködern lässt: Die Jugendlichen heute sind pragmatisch und nicht gebunden. In einem Wertecocktail mixen sie, was ihnen passend erscheint: Fleiß und Macht, Familie und Sicherheit, Kreativität und Lebensstandard. Alles geht gleichzeitig, wie aus der 14. Shell-Jugendstudie hervorgeht. Bei Jugendlichen zu punkten, ist somit für Politiker ein überaus schwieriges Unterfangen geworden. 2002 wurden für die Shell-Expertise 2500 der 14- bis 25-Jährigen zu ihrer Lebenssituation, ihren Wertvorstellungen und ihrer Einstellung zur Politik befragt. Heraus kam dabei auch, dass sich der Nachwuchs zwar gesellschaftlichen und persönlichen Herausforderungen stellt, und er will seine Probleme selbst lösen. Der Politik und den Parteien sprechen die Jugendlichen aber nur wenig Lösungskompetenz zu. Das Interesse ist laut Studie vielmehr weiter rückläufig, was sich auch in der Mitgliedschaft der Parteien zeigt. Dort wird der Nachwuchs zunehmend zur Rarität. Um überhaupt ein Grundinteresse zu schaffen, versuchen deshalb schon seit längerem jüngere Bundestagsabgeordnete, sich in bestimmten, ihre Generation besonders betreffenden Fragen zu einer Art jugendlicher Allianz zusammenzuschließen - unabhängig davon, zu welcher Partei sie gehören. Aber reicht das aus? "Die Anliegen von Kindern und Jugendlichen werden auf EU-Ebene, aber auch in Deutschland zu wenig berücksichtigt", glaubt die Unionsexpertin Maria Eichhorn. Jugendliche hätten nur begrenzte Möglichkeiten, ihre Interessen wirksam und umfassend einzubringen. Die Shell-Studie beweise jedoch, heißt es in der Anfrage von CDU und CSU, dass junge Menschen leistungsbereit, zukunftsorientiert und engagiert seien. Durch die Politik der Bundesregierung drohe aber "selbst für optimistische Jugendliche Verunsicherung und Perspektivlosigkeit". Jugendministerin Renate Schmidt sieht dies jedoch anders, wie aus der Antwort auf die Anfrage hervorgeht. Darin verweist sie auf eine ganze Palette an jugendpolitischen Maßnahmen wie den "Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs", die Programme zur Demokratie- und Toleranzerziehung oder für "Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten". Über Erfolg oder Misserfolg solcher Konzepte wird am Freitag im Bundestag debattiert.

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