Bundestagswahl: Russland tut sich schwer mit dem Ergebnis

Moskau · Russische Politiker hielten sich gestern etwas bedeckt. Kaum einen drängte es, den Ausgang der Bundestagswahlen öffentlich zu analysieren. Auch Wladimir Putins Pressechef, Dmitrij Peskow, ließ sich mit einer Stellungnahme bis in den Nachmittag Zeit.

"Alles, was dort passiert, ist für uns von großem Interesse", sagte er. Deutschland sei ein wichtiger Wirtschafts- und Handelspartner für Russland. "Insgesamt hat der Block Merkel bei den Wahlen gewonnen", fuhr Peskow fort.
Präsident Putin respektiere die Entscheidungen der Wähler in jedem Land. Daher werde er die Ergebnisse nicht kommentieren. Später hieß es dann, mit einer Einschätzung sei erst zu rechnen, wenn alle Daten auf dem Tisch lägen.

Auch Russland tut sich schwer mit dem Ergebnis. Vor allem die Aufkündigung der Großen Koalition durch die SPD ist für den Kreml unerfreulich. Er schätzt Leidensfähigkeit und dickes Fell der Sozialdemokraten. Trotz Moskaus Lügen bemüht sich die SPD, das Gegenüber zu verstehen. Hoffnungen auf eine Neuauflage der Ostpolitik der 1970er Jahre muss der Kreml nun auf Eis legen.

Russland ist in der Berichterstattung gleichwohl vorsichtiger geworden. Das wöchentliche Politmagazin "Westi" am Sonntagabend war um Sachlichkeit bemüht. Der Kommentator der Wahl merkte lediglich süffisant mit Blick auf Putin an, auch die parlamentarische Demokratie könne garantieren, dass die Führung nicht ausgewechselt werde. Auf Unverständnis stieß, dass die AfD als rechtspopulistische und radikale Partei in Deutschland bezeichnet werde, obwohl die Spitzenkandidatin Alice Weidel eine bekennende Lesbe sei. Ansonsten hatten die Kommentatoren an diesem Wochenende Kreide gefressen.

Der Außenpolitiker Leonid Sluzki sieht im Wahlergebnis ein Zeichen der Krise in ganz Europa, die er auf Migrationsbewegungen und wirtschaftliche Schwierigkeiten zurückführt.
Der Deutschlandexperte Wladislaw Below meinte mit Blick auf die jüngsten rechtsradikalen Äußerungen der AfD: auch in Russland würde rechtsextremistisches Gedankengut nicht hingenommen. "Alle Aussagen über Wehrmacht und Juden sind inakzeptabel für Russland", so Below vom Europainstitut der Akademie der Wissenschaften. Dennoch unterhält die AfD enge Kontakte nach Russland. Der Kreml hofiert überdies rechtspopulistische Parteien europaweit, um in der EU Chaos und Unruhe zu stiften.

Eine Jamaika-Koalition wäre für Moskau die schlechteste Lösung, meint der Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow. Besonders gefürchtet sind demnach die Grünen und deren Wertekanon in Moskau.

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