Bush-Partei in der Zerreissprobe

Nach dem überraschenden Ausstieg des konservativen Kandidaten Mitt Romney aus dem amerikanischen Wahlkampf rückt John McCain in den Mittelpunkt des Interesses der republikanischen Partei.

Washington. Als der Republikaner Mitt Romney (Foto: dpa) am Donnerstagnachmittag seinen vom Zeitpunkt überraschenden, jedoch nicht unerwarteten Ausstieg aus dem Präsidentschaftsrennen bekanntgibt, rufen einige Parteifreunde im Auditorum des Omni-Hotels in Washington "No, no." Andere verlassen schweigend den Saal, manche weinen. Als John McCain, dem nun die Nominierung nicht mehr zu nehmen sein dürfte, Stunden später denselben Saal betritt, gibt es höflichen Beifall - und lange Buh-Rufe, als er vor der "Conservative Political Action Conference" das Reizthema illegale Einwanderer anspricht. Nichts demonstriert besser die Zerreissprobe und Personal-Problematik, in der sich die Bush-Partei derzeit befindet: Auf der einen Seite mit dem Mormonen Romney ein gescheiterter Kandidat, der sich als "einziger wirklicher Konservativer" im Feld verkaufen wollte, aber nie die Herzen der Republikaner wirklich erreichte. Auf der anderen Seite ein vor einem halben Jahr noch totgesagter Sieger, der wieder bei seinem Auftritt in Washington den konservativen Kern der Partei bitten muss, ihm wegen mancher als zu liberal empfundener Thesen nicht in den Rücken zu fallen. "Viele stimmen nicht mit mir überein", sagt McCain in seiner Rede, "aber bedenken Sie bitte, dass ich immer ein stolzer Konservativer war." Und: Er werde einen "klar konservativen Regierungsstil" anbieten. Allein, der Glaube fehlt nicht wenigen. Rush Limbaugh, einer der prominentesten Radio-Moderatoren im konservativen Lager, grollt seit Tagen stundenlang live gegen den Mann, der wegen seiner liberalen Haltung in der Folter-Debatte, bei der Eingrenzung des Lobbyisten-Einflusses und bei der heiss diskutierten Einwanderungsreform jede Menge Ballast im Rucksack trägt. Doch wie ist dieser schwelende Brand zu löschen, der für die Partei ebenso gefährlich ist wie für die Demokraten der Umstand, dass sich das Duell Clinton-Obama noch Monate hinziehen kann. US-Präsident George W. Bush betätigte sich als Feuerwehrmann in der eigenen Partei. Er, der sich - im Umfragentief von 30 Prozent Zustimmung - bisher bewusst im Wahlkampf zurückgehalten hatte, versuchte sich an Rückenstärkung für McCain: Man werde bald einen Kandidaten haben, der das konservative Banner in die Wahl und darüber hinaus trage, so Bush. Schließlich gehe es im November "um Wohlstand und Frieden". Meinung McCains Zwickmühle Mit dem wenig überraschenden Ausstieg von Mitt Romney aus dem Präsidentschaftsrennen ist der Weg zur Nominierung nun weitgehend hindernisfrei für den zunächst als großer Außenseiter gestarteten John McCain. Doch wie steht es mit den Chancen McCains mit Blick auf den 4. November - den Tag, an dem die Bush-Nachfolge entschieden wird? Umfragen zeigen zwar, dass er gegenüber Hillary Clinton wie auch Barack Obama landesweit derzeit einen rechnerischen Vorteil besitzt. Doch damit ist McCain noch lange nicht am Ziel. Denn was die Demoskopen nicht berücksichtigen, ist die Frage: Wie wird die republikanische Basis, die das Rückgrat der "Grand Old Party" bildet, auf einen Mann reagieren, der sich am Donnerstag bei einem Auftritt vor Konservativen in Washington Buh-Rufe gefallen lassen musste? Vor allem beim Reizthema "Illegale Einwanderung" gilt der Querdenker McCain als schwarzes Schaf der Partei. Einige Wortführer der Republikaner grollen bereits, selbst ein Demokrat wäre ihnen lieber als McCain im Weißen Haus. Um diese düsteren Wolken zu vertreiben, wird sich McCain in den nächsten Wochen und Monaten neu erfinden müssen - und noch näher an die Positionen jenes Mannes rücken, den er beerben will. Sonst droht ihm, dass ein Teil der Republikaner am Wahltag einfach zu Hause bleibt - und auf einen besseren Kandidaten im Jahr 2012 wartet. Doch die Nähe zu Bush ist - mit Blick auf dessen Zustimmungsrate und unentschlossene Wähler der politischen Mitte - ebenso gefährlich. Man darf gespannt sein, wie sich John McCain aus dieser Zwickmühle befreit.

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