Bush jetzt eine "lame duck"

BERLIN. Weil die Demokraten dem Irak-Krieg kritischer gegenüberstehen und insgesamt eher innenpolitisch orientiert sind, rechnen Berliner Außenpolitiker damit, dass Deutschland und Europa nach den US-Wahlen nun stärker von Washington gefordert werden.

Der SPD-Außenexperte Gert Weisskirchen hat schon in jüngster Zeit bei seinen Gesprächen mit Amerikanern einen "verstärkten Druck" auf Europa bemerkt. Die Forderung an die Deutschen, sich mit ihren Truppen nicht nur im ruhigen Nord-Afghanistan zu bewegen, sondern sich auch an den Kämpfen im Süden zu beteiligen, werde nach seiner Einschätzung schon beim Nato-Gipfel nächste Woche in Riga eine große Rolle spielen, sagte Weisskirchen. Offen sei, wie stark der bei den Wahlen deutlich gewordene Überdruss am Irak-Einsatz auf die Debatten in beiden Kammern des amerikanischen Parlaments durchschlage und ob es eventuell sogar einen überstürzten Abzug aus dem Irak gebe. Der Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt (SPD), rechnet auch mit finanziellen Forderungen der USA. Die neue Mehrheit werde von Europa mehr verlangen. Das betreffe zum einen die Erwartung, dass Europa amerikanische Initiativen politisch mehr unterstütze. "Zweitens aber, dass man die Amerikaner finanziell entlastet und wirtschaftlich zur Stabilisierung von Regionen beiträgt." Der FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer glaubt, dass sich Deutschland und Europa darauf einstellen müssen, dass die Tendenz zum amerikanischen Isolationismus stärker wird. Dies könne sich in Fragen der Handelspolitik auswirken. Der frühere Außenamts-Staatssekretär erwartet ebenfalls Vorstöße für einen Einsatz der Bundeswehr im Süden Afghanistans. Die US-Administration sei jetzt eine "lame-duck-Regierung" (lahme Ente), meinte Hoyer. Sollten die Demokraten auch den Senat gewinnen, werde ihr Einfluss sehr stark durchschlagen. Offiziell hielt sich die Bundesregierung gestern mit einer Bewertung zurück. Auswärtiges Amt wie Kanzleramt verwiesen dar-auf, dass das Ergebnis für den US-Senat noch nicht vorliegt

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