Bush unter Feuer

WASHINGTON. In den USA ist der Startschuss zum Präsidentschafts-Wahlkampf gefallen. Der unter Popularitätsverlust leidende Amtsinhaber George W. Bush muss sich immer kritischeren Fragen stellen.

Der Countdown zu den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten hat für die Parteien und US-Medien begonnen, die jetzt den Bürgern vorrechneten, dass man von ihnen in genau 427 Tagen die Stimmabgabe erwartet. Bisher stehen zehn Männer und Frauen zur Auswahl bereit, wobei Titelverteidiger George W. Bush eigentlich keinen der neun demokratischen Kandidaten fürchten müsste, ginge es nach einer Umfrage des Fernsehsenders CNN. Denn rund 75 Prozent der Wahlberechtigten kennen angeblich keinen einzigen der mit dem Präsidentenamt liebäugelnden neun Demokraten. Doch Demoskopen haben auch ermittelt, dass 50 Prozent der Befragten den Sieg eines Demokraten für möglich halten - und dass knapp die Hälfte der Bevölkerung meint, dass George W. Bush keine zweite Amtszeit verdient hat. Deshalb spürte man bei der Rede des Präsidenten am "Labor Day", mit der Bush den inoffziellen Kampagnen-Startschuss gab, mehr Nervosität, aber auch mehr Kämpfergeist als sonst. Seine erste Aussage galt dem Zustand der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen, wobei der Texaner seinen Widersachern erhebliche Angriffsfläche bietet: Derzeit sind neun Millionen Amerikaner ohne Arbeit, und die Arbeitslosenquote liegt mit 6,2 Prozent auf dem höchsten Niveau der letzten neun Jahre. Kein Zweifel: Amerikas Wirtschaft läuft nicht rund. Bush beginnt zwar damit, ein helles Licht am Ende des Tunnels zu sehen ("Bald wird es wieder mehr Jobs geben"), doch warnt gleichzeitig vor "enormen Herausforderungen im Irak" und den damit verbundenen Kosten. Parallelen zum Schicksal von Bush senior

Doch die Hoffnung des Präsidenten, mit den Themen Außen- und Sicherheitspolitik im Wahlkampf zu punkten und damit auch Erklärungen für die wenig erfreuliche Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage zu liefern, könnte sich als trügerisch erweisen. Bush hat sich gerade in Sachen Antiterror-Politik eine Blöße gegeben, als er Anfang Juli die Extremisten im Irak herausforderte: "Bring them on"- "Lasst sie kommen." Seitdem sind mit 140 US-Soldaten mehr Militärangehörige im Irak gestorben als in der offiziellen Kriegsphase. Gleichzeitig gewinnt die Debatte über das Nachkriegskonzept des Weißen Hauses im Irak an Fahrt, wobei einem Teil der Amerikaner eine eigentümliche Argumentation ihres Präsidenten nicht verborgen geblieben ist. Auch am "Labor Day" wies Bush darauf hin, dass man sich in der Heimat sicher wähnen könne, weil die Terroristen derzeit ihr Betätigungsfeld im Irak sähen. "Offensive Heimatverteidigung" nennt das Weiße Haus diese seltsame Doktrin, bei der offenbar nun versucht wird, einem nicht befriedeten Irak und den Todesmeldungen von US-Soldaten etwas Positives abzugewinnen. Derartige Aussagen könnten dazu beitragen, dass Bush den einst vorhandenen Bonus für seine Politik der harten Hand unmittelbar nach den Anschlägen des 11. September 2001 weiter verspielt. Zumal er offenbar trotz der vorhandenen Probleme weitere Militäraktionen nicht ausschließt und sich dabei weiterhin einem Sendungsbewusstsein verpflichtet fühlt, das im Land mehr und mehr Widerspruch findet. "Dieses Land wird die Welt zum Frieden führen", kündigte er jetzt vor Gewerkschaftlern in Ohio an. In den US-Zeitungen und Nachrichtenmagazinen kann Bush jedoch immer öfter nachlesen, dass ihm dies weder in Afghanistan, dem Irak noch im Nahost-Konflikt bisher gelungen ist. "Was ist Plan B?" fragte jetzt das Magazin "Newsweek" auf der Titelseite. Und Bush junior wird immer häufiger an das Schicksal seines Vaters erinnert: Nach dem ersten Golfkrieg rutschten seine Popularitätswerte in den Keller, weil es mit der Wirtschaft nicht stimmte. So wurde ein demokratischer Gouverneur namens Bill Clinton neuer Präsident.

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